Freelancer-Kompass 2022: Freiberufler-Stundensatz erreicht Rekordhoch

Freiberufler erreichen trotz Inflation und politischen Unruhen einen Höchststundensatz.


Foto: Ollyy – shutterstock.com

Blieben in den letzten zwei Jahren der Pandemie die Stundensätze nahezu unverändert, ist nun erstmals wieder ein Trend nach oben zu beobachten, wie die aktuelle Studie “Freelancer-Kompass 2022” (PDF) zeigt. Trotz Inflation und politischen Unruhen erreicht der Stundensatz für Freelancer im Schnitt eine Höhe von 96 Euro. Im Bereich SAP stieg der durchschnittliche Stundenlohn sogar auf 116 Euro an. Das sind elf Euro mehr als noch im Vorjahr.

Diese Veränderung zeigt, wie gefragt das Fachgebiet momentan für Unternehmen ist, was bereits in den Freelancer-Trends im Dezember 2021 zu erkennen war. Das Schlusslicht bilden mit durchschnittlich 66 Euro die Bereiche Medien, Content und Grafik, welche auch die geringste Einkommenszufriedenheit (39 Prozent) aufweisen. Damit liegen sie deutlich unter dem Durchschnitt aller Branchen von insgesamt 72 Prozent. Im Vergleich zu deren festangestellten Kollegen geben 63 Prozent der Selbstständigen an, mehr als diese zu verdienen.

Der Fachkräftemangel in der deutschen Wirtschaft hat einen neuen Höchststand erreicht. Dies zeigen aktuelle Studien der staatlichen Förderbank KfW und des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Freelancern beschert das gerade ein vielfältiges Auftragsangebot. Rund 64 Prozent der Freiberufler geben an, Projekte aufgrund von maximaler Kapazitätsauslastung ablehnen zu müssen. Pro Jahr können daher nur durchschnittlich zehn Prozent der Projektangebote von Freiberuflern bearbeitet werden. Außerdem schätzt weit mehr als die Hälfte (67 Prozent) der befragten Freelancer die aktuelle Auftragslage als gut oder sogar sehr gut ein.

Bei der Auswahl der Projekte gilt weiterhin: It's all about the money. So gaben 74 Prozent an, dass der Stundensatz eine entscheidende Rolle bei der Projektauswahl spielt. Nicht überraschend also, dass genauso viele (75 Prozent) einen Auftrag ablehnen würden, wenn der gebotene Satz zu niedrig ausfällt. Trotz des gesellschaftlichen Bestrebens hin zu mehr Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung von Firmen sind für freie Experten beispielsweise der Ruf (21 Prozent) oder das soziale Verantwortungsbewusstsein (zehn Prozent) des Unternehmens eher weniger ausschlaggebend.

Im Vergleich zum letzten Jahr hat sich die pandemiebedingte Anspannung der Freelancer verringert. 32 Prozent der Befragten geben an, keine höhere Belastung zu verspüren. Im Vorjahr lag dieser Wert noch bei 23 Prozent. Ebenso zuversichtlich sind die Einschätzungen beim Thema Existenzangst: Ein Großteil (79 Prozent) fühlt sich davon aktuell nicht betroffen. Im beruflichen Kontext scheint die Corona-Krise also nur noch geringfügige Einschränkungen zu verursachen.

Das zeigt auch die Frage nach negativen Umsatzauswirkungen durch die Pandemie: Hier sehen 66 Prozent keine Gefahr mehr für mögliche Einbußen im Jahr 2022. Insgesamt sind mehr als 90 Prozent der Freelancer (sehr) zufrieden mit ihrer freiberuflichen Tätigkeit. Daher möchten 94 Prozent der Befragten auch zukünftig als Selbstständige arbeiten. Selbst nach über zwei Jahren Pandemie ist das Home-Office mit knapp 60 Prozent Zustimmung der mit Abstand beliebteste Arbeitsort von Freiberuflern.

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In den letzten Jahren erfreuten sich Investitionen in Kryptowährungen, vor allem bei jüngeren Generationen, immer größerer Beliebtheit. Auch Selbständige setzen mittlerweile häufiger auf Bitcoin, Ethereum und Co. Hauptsächlich die Freelancer unter 35 erkennen großes Potenzial auf dem boomenden Krypto-Markt. Ein Drittel der unter 35-Jährigen sehen Investitionen mit Kryptowährungen als mögliche Altersvorsorge an.

Der privaten Altersvorsorge (Rürup) wird mit nur sechs Prozent hingegen wenig Vertrauen entgegengebracht. Bei den Freiberuflern im Alter von 35 bis 44 sehen 26 Prozent Kryptowährungen als sinnvolle Altersvorsorge an und stellen diese ebenfalls über die Rürup-Rente (zwölf Prozent). Im Gesamtbild sichern sich die Altersgruppen dennoch vorwiegend auf traditionellem Wege für die Rente ab: Hier sind gesetzliche Rentenversicherungen (58 Prozent), Wertpapiere (58 Prozent) und Immobilien (54 Prozent) die Spitzenreiter bei der finanziellen Vorsorge.

Die Meinung der freien Experten, zu den von der Politik gesetzten Rahmenbedingungen, ist auch in diesem Jahr eindeutig: 66 Prozent der Befragten sind unzufrieden. Vor allem bei den Forderungen nach weniger Bürokratie (65 Prozent) und der Abschaffung von Scheinselbstständigkeit 60 Prozent) sehen Freiberufler den größten Handlungsbedarf. Diese Bestreben der Freelancer haben sich im Vergleich zur letztjährigen Befragung kaum verändert, was zeigt, dass die Hoffnungen für neue Maßnahmen, welche vor allem in die Grünen und die FDP gesetzt wurden, bisher ausblieben. Das bestärkt auch die Bewertung der Freiberufler zur Unterstützung durch Staat und Politik, im Hinblick auf das Geschäft als Freelancer: Hier liegt die Zufriedenheit insgesamt bei lediglich acht Prozent.

Zur Studie

Der Freelancer-Kompass ist eine Marktstudie, die seit 2016 jährlich im deutschsprachigen Raum (DACH) durchgeführt wird. In rund. 70 Fragen geben über 2.000 IT-Freelancer Einblicke in das Berufsbild, die finanzielle Situation, die Auftragslage und nennen ihre Zukunftstrends. Die Erhebung, Auswertung und Analyse wird von der Nürnberger Projektplattform freelancermap vorgenommen. (mp)

  1. Marco Thomas, Komm. Leiter Geschäftsfeld Freelance FERCHAU
    „Wir erwarten für 2021 sowie in den Folgejahren eine deutliche Auslastungssteigerung im Bereich der Freelancer. Es lässt sich eine Tendenz hin zu größeren und langfristigeren Projekten erkennen, insbesondere bei Großkunden beziehungsweise Institutionen aus dem öffentlichen Sektor. Für viele Freelancer bieten dann Personaldienstleister den notwendigen Rahmen, um an solchen Projekten bei Großkunden teilzunehmen. Die Risikoaffinität der Kunden gegenüber Freiberuflern hemmt oft die direkte Beauftragung des Lieferanten durch den Kunden, zumal aus seiner Sicht Personaldienstleister eine bessere Lieferfähigkeit bieten.“
  2. Alexander Raschke, Vorstand Etengo
    „Vor dem Hintergrund einer immer flexibler werdenden Arbeitswelt ist die Zusammenarbeit mit IT-Freiberuflern für Unternehmen essenziell und erfolgskritisch zugleich. Wer Freiberufler nur dann einsetzt, wenn es keine interne Alternative gibt, hat eine längst überholte Vorstellung davon, wie Projektarbeit heute im Mixed-Teams-Ansatz funktioniert.“
  3. Kai Becker, Director Public Services Hays
    „Soloselbstständige waren während der Corona-Pandemie in aller Munde. Es wirkt fast so, als wäre durch die Krise der Zusammenhang zwischen Mensch und Technik noch deutlicher geworden. Unternehmen setzen klar auf den Einsatz von Freiberuflern – die Digitalisierung und damit die Zukunftsfähigkeit des Standortes Deutschland ist ohne sie nicht zu stemmen. Ich würde mir wünschen, dass wir als Branche die Sichtbarkeit von Freiberuflern und Ihren wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft weiter hochhalten. Das Momentum dürfen wir nicht verlieren!“
  4. Marcel Abel, Geschäftsführer modis
    „Freiberufler bieten für Unternehmen einen Mehrwert, indem sie spezielles Know-how mitbringen. Die Möglichkeit, Projekte fremd zu vergeben, unterstützt zudem das notwendige Maß an Flexibilität. Gleichzeitig wird das Risiko des vorschnellen Ressourcenaufbaus innerhalb des aktuell noch volatilen Umfelds vermindert. Somit haben Firmen mit Freelancern ein geeignetes Mittel zur Verfügung, um mit zusätzlichem Wissen eine angestrebte Skalierung vorzubereiten und vorerst möglichst risikoarm zu wachsen. Im Gegenzug ist es für IT-Freelancer empfehlenswert, zukunftsorientiert zu denken und sich möglichst auf die Wachstumsbranchen zu konzentrieren. Wir als Unternehmen wollen gemeinsam mit unseren Kunden und Freelancern als Geschäftspartner maßgeblich die Digitalisierung in Deutschland vorantreiben.“
  5. Ertan Demirel, Geschäftsführer GULP
    „Die Zeit nach Corona werden einige Unternehmen nutzen, um eine digitale, aber auch kulturelle Bestandsaufnahme zu machen. Nie hat sich mehr gezeigt, wo es in einer Firma Nachholbedarf in Sachen Digitalisierung gibt als in den vergangenen 18 Monaten. Das wird sich auch in der Nachfrage nach externen Digitalisierungsexperten bemerkbar machen. Gleichzeitig können sich viele Mitarbeiter nicht vorstellen, nach den Monaten im Homeoffice wieder fünf Tage die Woche zurück ins Büro zu kommen. Hybride Arbeitsformen und Desk-Sharing sorgen ebenfalls dafür, dass die IT-Abteilungen deutlich mehr personelle Ressourcen benötigen, beispielsweise bei der Beschaffung und Inbetriebnahme von Hardware oder für den IT-Support der Kollegen im Homeoffice.“

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