Serendipity: Der Zufall als Innovationstreiber

Der “Faktor Zufall” kann im Hinblick auf Neuerungen eine wichtige Rolle spielen. Wenn es gelingt, Serendipity zu fördern, wird dem Glück auf die Sprünge geholfen. Unternehmen haben eine Reihe von Hebeln, um dabei aktiv zu werden.


Foto: Rommel Canlas – shutterstock.com

Die Arbeitswelt hat sich im Zuge der Pandemie nachhaltig verändert: Hybride und mobile Arbeitsmodelle stellen neue Anforderungen, die sich insbesondere auf das Innovations- und Change-Management in Unternehmen auswirken.

Eine besondere Rolle spielt dabei die zwischenmenschliche Interaktion.
Da Mitarbeitende meist zumindest anteilig im Home Office bleiben, finden in vielen Firmen deutlich weniger persönliche Begegnungen statt. Es fehlen nicht nur Meetings, sondern auch zufällige Treffen auf dem Büroflur oder in der Kaffeeküche. Doch gerade die “Human Connections” sind es, die im Hinblick auf Neuerungen oft eine entscheidende Rolle spielen.

Tatsächlich sind Innovationen nicht immer planbar – mitunter braucht es das Quäntchen Glück. Hier kommt “Serependity” ins Spiel: Eine überraschende Entdeckung von wichtigen Dingen, die gerade nicht gesucht wurden und die quasi dem Zufall zu verdanken sind. Die Crux: Der ursprüngliche Plan scheitert, doch dafür wird man mit anderem belohnt.

Serendipität, so der deutsche Begriff, kommt tatsächlich häufiger vor, als man denkt. Immer dann, wenn sich Ideen und Denkansätze vermischen und neue Perspektiven einen frischen Blick auf ein Konzept werfen, entstehen neue und nicht erwartete Dinge. Die Kunst besteht sodann darin, diese auch zu erkennen und den Wert zutage zu bringen. So ist es erst die nötige Beobachtungsgabe, die hilft, dem glücklichen Zufall Beachtung zu schenken und ihm auf die Sprünge zu helfen. Im Vorteil ist dabei, wer eine “Forschermentalität” besitzt: Eine offene Haltung, gepaart mit dem Mut, Neues auszuprobieren und auch Fehler zu machen.

Darüber hinaus hilft es, Ideen im Kollegenkreis zu diskutieren, Neues zu sammeln – und vielleicht den fehlenden Baustein für das eigene Projekt von einem Kollegen zugespielt zu bekommen, der vor einiger Zeit an einer ähnlichen Sache gearbeitet hat. Nicht selten resultiert die Grundlage für innovative Ansätze auch auf einem informellen Gespräch, etwa beim gemeinsamen Kaffee oder Mittagessen. Potenzial haben dabei gerade Begegnungen von Menschen, die im Arbeitsalltag nicht laufend zusammenarbeiten, sondern die eher unverbindlich in Kontakt miteinander sind.

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Die Speerspitze der durch Serendipity entstandenen Innovationen dürfte das Internet sein: Um Ende der 1980er Jahre die wachsende Zahl an Publikationen am Kernforschungszentrum Cern zu strukturieren, hat der Forscher Tim Berners-Lee die Idee eines Hyperlinks entwickelt. Außerdem entstanden die Sprache HTML, ein Browser zum Lesen der Dokumente und das HTTP-Protokoll. Dass daraus einige Zeit später das World Wide Web hervorgehen würde, war weder Absicht noch Ziel der Forschung. Vielmehr resultierte dies aus dem “Prinzip Zufall” oder “Serendipity”.

Ein anderes bekanntestes Beispiel ist das Post-it: Als der Chemiker Spencer Silver für den Chemie-Konzern 3M an der Entwicklung eines Superklebstoffs arbeitete, kam er nicht entscheidend vorwärts. Dafür fand er eine Verbindung, die ausgeprägt schwach war. Viele Jahre später wurde wieder auf diese Entdeckung zurückgegriffen. Ein anderer Forscher wollte seine Gesangsnoten mit Anmerkungen versehen und erinnerte sich an die Klebstoffverbindung von Silver. Das Post-it war aus der Taufe gehoben.

Auch die Entdeckung Amerikas darf der Serendipity zugeordnet werden: Kolumbus wollte nach Indien reisen, stattdessen landete er auf den Bahamas. Weitere bekannte “Erfindungen”, die per Zufall entdeckt wurden: Die Mikrowelle, Röntgenstrahlen, Sekundenkleber, Cornflakes und der Klettverschluss.

Zwei Aspekte sind wichtig, um dem glücklichen Zufall auf die Sprünge zu helfen:

  1. Serendipity-Momente müssen überhaupt erst als solche wahrgenommen werden.
  2. Die Serendipity-Momente können gefördert werden. Vernetztes Denken und eine offene Haltung spielen dabei eine wichtige Rolle.

Lesetipp: Neue Arbeitsweisen – Veränderungen lassen sich nicht verordnen

Unternehmen können dabei aktiv Maßnahmen in die Wege leiten. Ohne Netzwerke geht all das nicht. Im persönlichen Austausch entstehen schneller Ideen. Doch gerade dieser fehlt angesichts mobiler und hybrider Arbeitsmodelle zunehmend. Daher gilt es, unabhängig vom Arbeitsort neue Formen der Vernetzung zu ermöglichen.

Es sollten auch Freiräume angeboten werden, auf deren Fundament Mitarbeitende in der Lage sind, abseits ausgetretener Pfade zu denken und bessere Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Menschen ermöglicht werden. Im Dialog entstehen neue Sichtweisen und damit letztlich Serendipity.

Zu einer Unternehmenskultur, die Freiraum für Innovation erlaubt, ohne Druck zu erzeugen, gehört ein neues Führungsverständnis. (Spiel-)räume sollten etabliert, Eigenverantwortung gefördert und auf Kontrolle weitgehend verzichtet werden.

Digitale Communities: Virtuelle Angebote, wie interne soziale Netzwerke, legen eine Basis für Vernetzung. Sie können reale Kontakte zwischen Mitarbeitenden unterstützen. Je weitverzweigter die Netzwerke sind, desto größer ist die Chance, “Ideen-Labore” zu schaffen. Dabei ist es sinnvoll, themenbezogene Gruppen zu etablieren, um konkretes Wissen zu teilen. Außerdem können wichtige Fragen diskutiert werden. Im Idealfall tragen sich die Communities selbständig, doch in den meisten Fällen müssen sie moderiert und auf anderen Kanälen beworben werden.

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Offene Forschungsprojekte und Kooperationen: Für mehr Innovationsfähigkeit brauchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter freie Zeit für eigene Ideen und Projekte sowie andere Experten, mit denen diese diskutierbar sind. Am besten erlauben Unternehmen auch Forschung, die über konkrete Business-Projekte hinausgeht. Zudem wirken nach Möglichkeit unterschiedliche Akteure interdisziplinär mit. Die Aktivitäten müssen auch nicht ausschließlich auf die eigene Firma beschränkt sein. Bei aller Freiheit braucht es zwar in der Regel eine konkrete Fragestellung. Doch wenn am Ende eine ganz andere Frage beantwortet wird, ist das Serendipity-Momentum erreicht. Um Forschungsgruppen zu implementieren, sind regelmäßige Meetings wichtig, die auch online stattfinden können. Außerdem sollten die “Forscher” sich auch informell verabreden, etwa zu einem virtuellen Kaffee. Gerade in ungezwungenem Kontext kann Neues entstehen.

Spiel- und Kreativräume: Mut zum Experiment kann sich dort entfalten, wo die Umgebung entsprechend gestaltet ist. Freiräume helfen, die Gedanken in eine ungewohnte Richtung fließen zu lassen. Um Ideenreichtum und Innovation zu unterstützen, sind daher inspirierende Räumlichkeiten gefragt, die dabei helfen, Grenzen zu erweitern. Kreative Meetingräume sind dabei ebenso förderlich wie ein Workcafé. Nach Möglichkeit sollten dort keine Routine-Sitzungen stattfinden, sondern gezielt die Besprechungen, die etwas im Unternehmen strategisch und kreativ weiterbringen sollen. Im hybriden Arbeitsmodell kann es sinnvoll sein, sich in regelmäßigen Abständen auch persönlich im Kreativraum zu treffen.

(Virtuelles) professionelles Herzblatt: Neue persönliche Kontaktpunkte zwischen Kollegen legen die Basis für Ideen und für die Entdeckung von Unerwartetem. Daher kann der “Faktor Zufall” auch bei Treffen von Leuten gefördert werden, die sich bislang nicht kennen: Etwa durch “Blind Dates” zwischen Mitarbeitenden aus unterschiedlichen Abteilungen, die im Rahmen eines (virtuellen) Kaffees oder eines Mittagessens stattfinden. Technologiebasierte Matchmaking-Lösungen unterstützten dabei, 1:1-Meetings zu initiieren. Realisieren lassen sie sich vor Ort oder virtuell. Wichtig: Das Vernetzungs-Angebot sollte für die Beschäftigten immer freiwillig sein, denn Zwang ist der Feind von echter Innovation.

“CIO meets employee”: Wenn der Chef sich regelmäßig mit der Belegschaft austauscht, können diese ihre Ideen und Anregungen einbringen. Sinnvoll ist beispielsweise ein monatlich stattfindendes CIO-Frühstück. Die Angestellten können sich vorab bewerben und die Teilnehmer werden zugelost. Eine Alternative wäre es, bereits vorab Ideen einzusammeln, die Interessenten mitbringen. So werden Kollegen motiviert, neue Ideen zu entwickeln und diese laufend zu sammeln. Auch dieses Vorgehen kann in die virtuelle Welt transportiert werden.

Brainstorming Sessions: Fachlicher Austausch sollte nicht an Abteilungsgrenzen Halt machen, denn häufig resultieren aus interdisziplinärer Vernetzung neue Lösungen. Daher ist es sinnvoll, diesen gezielt in persönlichen oder Online-Meetings zu fördern. Auch hier können digitale Plattformen helfen, etwa, wenn ein Meeting Owner für ein Projekt Leute mit bestimmtem Wissen als Impulsgeber hinzuziehen möchte. In hybriden Arbeitsmodellen können derartige Sessions auch online stattfinden. In jedem Fall wird es darauf ankommen, Meetings durchdacht zu planen und zu moderieren. Ferner wird die richtige Mischung aus Zielfokus und ergebnisoffenem Ansatz am Ende das optimale Resultat versprechen – vielleicht in Form einer völlig unerwarteten Idee.

“Job Shadowing”: Wenn ein Mitarbeiter einem Kollegen über die Schulter schaut, eröffnen sich daraus neue Perspektiven und Blickwinkel. Davon profitieren im Idealfall alle Beteiligten und entwickeln neue Impulse. Die Methode gilt als effektives Werkzeug der Weiterbildung. Besonders gut geeignet ist sie für junge Jobeinsteiger, da sie hier auch berufliche Orientierung finden. Ob es ein paar Stunden sind, ein Tag oder eine Woche: Immer geht es darum, Herausforderungen und Arbeitsweisen besser zu verstehen und den eigenen Horizont zu erweitern. In hybriden Modellen könnte es eine Option sein, gemeinsam an bestimmten Projektaufgaben zu arbeiten. Auch hier gilt: Der Serendipity-Moment könnte kommen, wenn er am wenigsten erwartet wird.

  1. Tipps zur Arbeitsplatzgestaltung und Kollaboration
    Arbeitnehmer sind besonders produktiv und innovativ, wenn das Arbeitsklima stimmt. Unternehmen sollten deshalb für ein angenehmes Arbeitsumfeld sowie perfekte Bedingungen in Sachen Kommunikation und Teamwork sorgen. Acht Tipps worauf Sie achten sollten.
  2. Mitarbeiterbedürfnisse sichern
    Fragen Sie, was Ihre Mitarbeitenden wollen und brauchen, um gut arbeiten zu können.
  3. Wünsche erfüllen
    Setzen Sie erkennbar möglichst viele der Mitarbeiterwünsche um.
  4. Infrastruktur bereitstellen
    Sorgen Sie für eine gute Infrastruktur im und um Ihr Firmengebäude (Kita, Eltern-Kind-Raum, Parkplätze, E-Ladestationen, Arbeitsplatz-Ausstattung…)
  5. Flexibles Arbeiten unterstützen
    Seien Sie möglichst flexibel in Sachen Arbeitszeiten und Home-Office-Möglichkeiten.
  6. Hybrides Arbeiten ermöglichen
    Achten Sie darauf, dass Ihre Räumlichkeiten und Arbeitsplätze hybrides Arbeiten möglich machen.
  7. Begegnungszonen einrichten
    Schaffen Sie ausreichend Begegnungsflächen für Gespräche unter den Beschäftigten. Das fördert den Ideenaustausch und fördert Innovationen.
  8. Freizeitangebote machen
    Sorgen Sie für Möglichkeiten zur gemeinsamen Freizeitgestaltung. Das stärkt die Motivation, schafft Teamspirit und macht den Kopf wieder frei.
  9. Perfekte Arbeitsatmosphäre bieten
    Fördern Sie alles, was Ihren Mitarbeitenden den Job und Arbeitsplatz angenehm macht (viele Pflanzen, höhenverstellbare Schreibtische, flexible Gestaltungsmöglichkeiten…).

Innovationsmanagement hat sich verändert und ist für Firmen in verschiedensten Bereichen wichtiger denn je. Wenn auch in der neuen Arbeitsrealität Raum für Kreativität und Vernetzung geschaffen wrd, hat der Zufall eine echte Chance. Unternehmen investieren so in die eigene Zukunft. Es ist sinnvoll und notwendig, diesen Prozess aktiv zu gestalten.

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