Was ist eine Digital Architecture?

Eine digitale Architektur unterstützt unternehmerische Entscheidungsfindungen und kann somit zur Wertschöpfung eines Unternehmens beitragen.


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Die Digitalisierung der physischen Welt ermöglicht und erweitert Geschäftsstrategien mit immensen Auswirkungen auf vielfältige Branchen. Sie beeinflusst etablierte Geschäftsmodelle und verändert die Regeln des Wettbewerbs. Für die Bedeutung der Digitalisierung besteht ein ausgeprägtes Bewusstsein in allen Industriezweigen.

Es ist jedoch immer noch unklar, wie die sogenannte Digitale Transformation von Unternehmen umgesetzt werden soll und wie sich digitale Architekturen von herkömmlichen IT-Umgebungen unterscheiden. Um dies zu verdeutlichen, wird im Folgenden ein Modell beschrieben, das die wesentlichen Komponenten von digitalen Architekturen und deren Beziehungen untereinander darstellt. Dieses Modell hilft, die Zusammenhänge und erforderlichen Strukturen für die digitale Transformation besser zu verstehen.

Digitale Architekturen in Unternehmen sind informationstechnische Strukturen. Darin werden innovative Komponenten eingesetzt, die menschliche Fähigkeiten wie Fühlen, Lernen, Denken und Entscheiden nachbilden. Dazu generieren Betriebe Daten aus der physischen Welt, die von Clients oder Servern abgerufen werden, anschließend über Netze transportiert und bedarfsweise gespeichert werden. Diese digitalen Rohdaten lassen sich in anwendbare Informationen umsetzen, die wertschöpfend in Geschäftsprozesse integriert werden.

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Konventionelle IT-Architekturen betreffen essenzielle Unternehmens-IT-Infrastrukturen, wie etwa Arbeitsplätze, LAN, WAN, WLAN und Rechenzentren, sowie IT-Anwendungen, beispielsweise Bürokommunikation, ERP, SCM, CRM und E-Commerce.

Digitale Architekturen ergänzen und erweitern klassische IT-Architekturen. Sowohl herkömmliche IT-Architekturen als auch digitale Architekturen müssen sich an der Geschäftsstrategie ausrichten. Sie sollen den Unternehmenswert und dessen Leistung steigern.

Attribute der Digitalisierung und digitaler Architekturen sind:

  • von Benutzern generierte Daten, von Sensoren erfasste Daten und aus Servern gesammelte Daten;
  • Transport der Daten über Zugangs- und Backbone-Netze unter mithilfe neuer Netzwerk-Technologien;
  • Datenverarbeitung in Echtzeit und/oder Nutzung von Datenspeichern, entweder strukturiert (Datenbanken) oder unstrukturiert (Big Data);
  • Verarbeitung der Daten mithilfe menschenähnlicher Technologien (Maschinelles Lernen, Künstliche Intelligenz);
  • Verwendung der gewonnenen Informationen in Geschäftsprozessen, um Geschäftswerte zu realisieren.

Diese Eigenschaften sind im folgenden Architekturmodell (Digital Architecture Model) dargestellt und erläutert.

Digital Architecture Model: Digitale Architekturen beinhalten vier strukturelle Komponenten (Datenquellen, Cloud, KI, Geschäftsprozesse), zur Steigerung der unternehmerischen Wertschöpfung.


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Das digitale Architekturmodell zielt darauf ab, ein Verständnis zu vermitteln, das für die digitale Wertschöpfung relevant ist. Es stellt die Beziehungen zwischen den Schlüsselkonzepten der Digitalisierung im Unternehmenskontext dar. Die vier strukturellen Komponenten einer digitalen Architektur – Datenquellen, Netzwerke und Cloud, Künstliche Intelligenz sowie Geschäftsprozesse – und die beabsichtigte Wertschöpfung werden im Folgenden beschrieben.

Die Hauptkategorien von Datenquellen sind Endgeräte, Objekte und Server für private und geschäftliche Zwecke. Digitale Endpunkte bieten künstliche Fähigkeiten zum Sehen, Hören, Lokalisieren, Berühren, Fühlen, Schmecken, Riechen und Bewegen. Sie senden entsprechende Daten über Netzwerke, um sie auszuwerten und in Geschäftsprozessen anzuwenden.

Endgeräte können Kommunikations- oder Computergeräte von privaten Nutzern oder Mitarbeitern sein, wie etwa Smartphones, Notebooks, Desktop-PCs oder Workstations. Darin enthaltene Sensoren oder angeschlossene Peripherie können sensible personenbezogene Daten, zum Beispiel zum Gesundheitszustand des Benutzers, sammeln und weiterleiten. Beispiele dafür sind Smartwatches oder Fitness Tracker. Sehr kleine, intelligente, eingebettete Systeme lassen sich in verbundenen Werkzeugen oder anderen Objekten der Anwender, wie etwa Brillen, integrieren.

Weitere Endpunkte können auch mit Sensoren ausgestattete Dinge sein, die Daten von natürlichen und künstlichen Objekten über das Internet of Things (IoT) sammeln. Beispiele dafür sind:

  • Lebewesen (Menschen, Tiere, Pflanzen);
  • Fahrzeuge (Autos, Fahrräder, Roller);
  • Gebäude (Büros, Fabrikgebäude, Privathaus);
  • Haushaltsgeräte;
  • industrielle Maschinen (Industrie 4.0).

Das Format der möglichen Daten unterscheidet sich je nach Endpunkt:

  • Audio (durch Mikrofone);
  • Video (durch Kameras);
  • GPS-Daten (geografischer Standort, Höhe, Zeit, Geschwindigkeit);
  • Sensordaten (beispielsweise Temperatur, Luftdruck, Luftfeuchtigkeit, Helligkeit, chemische Daten von Stoffen).

Darüber hinaus werden legale Tracking-Tools mit Webanwendungen auf Benutzerendpunkten (z.B. Cookies) verwendet, um Daten über die Benutzer und deren Verhalten zu sammeln.

Die andere Kategorie von Datenquellen sind Server. Diese können mit dem Internet verbundene öffentliche Webserver sein oder Unternehmensserver in gesicherten Umgebungen und verschlüsselten Netzwerken, wie etwa eine DMZ.

Server werden von Privatpersonen, Unternehmen, Behörden oder anderen Organisationen betrieben. Daten von öffentlichen Servern, beispielsweise von sozialen Medien, privaten Websites, Unternehmensseiten oder E-Shops können von legalen Internet-Bots abgerufen werden, die die menschliche Interaktion mit den Websites für Analyse-Zwecken simulieren. So genannte Webcrawler sammeln Daten von Internetseiten und indizieren diese, um ihre Inhalte zu erschließen.

Auf diese Weisen gelangen vertrauliche Daten, welche auf Applikationsservern oder in zentralen Datenbanken gespeichert werden, für alle Arten von Geschäftsfunktionen auf Unternehmensserver. Die Aufgabe des Managements besteht darin, zu entscheiden, welche Arten von Daten erhoben und verarbeitet werden.

Netzwerke verknüpfen Datenquellen und Systeme, um Daten zu analysieren, etwa für Maschinelles Lernen oder Künstliche Intelligenz, sowie sie für Geschäftsanwendungen zu nutzen. Dazu bewegen sie digitale Datenströme zwischen Endpunkten, Servern und Datenbanken – unabhängig von Zeit und Ort.

Netze werden in Zugangs- und Backbone-Netze unterteilt. Unter Zugangsnetzwerken versteht man zum Beispiel 4G/5G Radio Access, LAN oder WLAN. Sie verbinden Benutzerendpunkte mit den Backbone-Netzwerken. Dazu zählen beispielsweise das öffentliche Internet oder private Netzwerke, wie MPLS WAN, Site-to-Site VPN. Manche Netzwerke beinhalten auch drahtlose Kommunikationssysteme wie RFID, NFC, Bluetooth oder Ultraschall, die speziell für die Übertragung auf kurze Distanz ausgerichtet sind.

In den meisten Fällen erfolgt die Übertragung von Quelldaten und deren Verarbeitung in einem Netzwerk in Echtzeit. Wenn dies nicht erforderlich oder nicht möglich ist, bewahren Unternehmen die unstrukturierten Rohdaten für spätere Analysen auch in voluminösen Datenspeichern, sogenannten Data Lakes, auf (“Big Data”). Auch strukturierte Datenbanken wie Data Warehouses eignen sich als Speicher. Der Speicherort sind meist unternehmensgeführte Rechenzentren, die entweder in einer Private Cloud oder bei Service Providern in einer Public Cloud stehen.

Künstliche Intelligenz (KI) steht im Zentrum einer digitalen Architektur. Sie gibt den gesammelten Rohdaten Bedeutung, indem sie Daten von Endpunkten oder Servern in Informationen übersetzt, die für das Unternehmen wertvoll sind. KI mit künstlichen Sinnesorganen wie Kameras oder Sensoren und menschlicher Bewegung zu integrieren, bildet die Grundlage von Robotern, also simulierten Menschen. Dem liegt das Streben der KI zugrunde, menschliche, kognitive Fähigkeiten wie Lernen, Denken und Entscheidungsfindung zu ersetzen.

Maschinelles Lernen (ML) ist Teil der KI und dient dazu, Muster und Zusammenhänge in Datensätzen zu analysieren. Ziel ist es, aus Erfahrungen zu lernen und die Vorhersagegenauigkeit im Laufe der Zeit anhand von Modellen und Algorithmen zu verbessern. Data Mining bezieht sich auf ML-Lernmethoden, um Beziehungen und Muster in unstrukturierten Datensätzen zu suchen, beispielsweise mittels Regressionsanalyse oder Clustering. Auf Basis der ML-Ergebnisse lassen sich Lösungsalternativen vorschlagen oder Entscheidungen treffen, die sich auf die Geschäftsaktivitäten auswirken.

Die durch KI gewonnenen Informationen können verwendet werden, um verschiedene Geschäftsfunktionen, etwa Engineering, Produktion, Marketing oder Service, für primäre oder unterstützende Aktivitäten der generischen Wertschöpfungskette (Porter, 1985) zu optimieren. Das kann beispielsweise Produkteigenschaften, Vertrieb, Kommunikation oder die Preisgestaltung verändern.

Digital Technologien können ganze Geschäftsmodelle und Geschäftsarchitekturen verändern. Beispiele dafür sind Chatbots in der Kundenkommunikation, die Personalisierung im Verkauf oder die Automatisierung in der Herstellung. Verändert Digitalisierung Geschäftsmodelle und -prozesse, muss jedoch stets die Wertschöpfung im Mittelpunkt stehen. Das Ziel bleibt, durch Produkte und Dienstleistungen den Kundennutzen zu mehren und somit die Profitabilität und die Wettbewerbsposition zu verbessern.

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Digitale Daten effektiv zu nutzen erhöht den Wert des Unternehmens, indem Analysen zu unterschiedlichen Geschäftsprozessen zur Verfügung stehen. Beispiele dafür sind:

Der Kundennutzen ergibt sich insbesondere aus einer fortschrittlichen Produkt- und Servicequalität sowie leichter Kauf- und Lieferabwicklung. Darüber hinaus führt die operative Integration digitaler Daten in die Geschäftsprozesse zu erweiterten Einkaufserlebnissen. Dazu zählen etwa maßgeschneiderte Angebote, vereinfachte Produktsuche, sichere und schnelle Zahlungen, oder ergänzende Dienstleistungen. Kunden nehmen somit wirtschaftliche, funktionale oder psychologische Vorteile wahr.

Unternehmen, die heute die Digitalisierung vernachlässigen, werden wahrscheinlich Marktanteile verlieren und riskieren, vollständig von den Märkten zu verschwinden. Betriebe hingegen, die mit digitalen Architekturen neuen Kundennutzen schaffen, können damit ihre Wettbewerbsvorteile ausbauen. Ein Unternehmen erzielt einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil, wenn seine digitale Architektur einzigartig und schwer zu imitieren ist. Daneben müssen die resultierenden Dienstleistungen und Produkte mehr Kundennutzen generieren als jene der Wettbewerber. (bw/jd)

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