Experten diskutieren Hybrid Work: Eine Frage der Integration


Während wir noch vor wenigen Jahren über das Für und Wider von Home-Office diskutiert haben, lässt sich heute resümieren: Die Arbeit aus der Ferne ist in den meisten Branchen nicht mehr wegzudenken. Hybride Modelle, in denen Mitarbeiter regelmäßig zwischen der Arbeit im Büro und dem Home- respektive Mobile-Office wechseln, sind dabei sicherlich die Regel – doch es gibt auch Unternehmen, die gleich ganz auf feste Räumlichkeiten verzichten und einen “Remote-first”-Ansatz verfolgen.

Wie aber lässt sich dafür Sorge tragen, dass die Unternehmenskultur auch die räumliche Trennung überlebt? Mit dieser Frage beschäftigte sich die Expertenrunde beim COMPUTERWOCHE-Roundtable zum Thema “Hybrid Work & Collaboration”.

In einem sind sich die Experten einig: Hybrid Work ist gekommen, um zu bleiben. Arbeitnehmer bestehen zunehmend auf die Flexibilität, die ihnen die freie Wahl des Arbeitsplatzes bietet. Das zeigt Wirkung: Knapp 74 Prozent der Unternehmen bieten mittlerweile Remote-Arbeitsplätze an, wie die COMPUTERWOCHE-Studie “Hybrid Work 2022” zeigt. Besonders Unternehmen in Branchen, in denen es an Fachkräften mangelt, spüren diese Entwicklung besonders drastisch. “Von unseren letzten 15 Neuanstellungen haben beinahe alle ihren letzten Arbeitgeber aufgrund mangelnder Flexibilität verlassen”, beschreibt Ivan Cossu, Mitgründer und CEO von deskbird, die Situation auf dem Arbeitsmarkt.

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Viele Unternehmen haben diese Entwicklung bereits für sich angenommen und die strukturellen Voraussetzungen für die langfristige Arbeit in Hybrid-Work-Modellen geschaffen. Die zahlreichen Wachstumsschmerzen hinsichtlich der Organisation und der Steuerung der Teams, die man in den vergangenen Jahren beobachten konnte, haben die meisten Unternehmen weitestgehend hinter sich gelassen. Das bestätigt auch Mark Oliver Schuller, Vice President von CGI, sieht jedoch eine andere Herausforderung auf Unternehmen zukommen: “Die wichtigere Frage ist oftmals, wie sich Kultur vermitteln lässt, wenn das gemeinsame Mittagsessen oder die Gespräche in der Kaffeeküche fehlen.”

Zustimmung erhält er von Frank Roidl, Account Director / Senior Service & Contract Manager bei Getronics: “In dieser Form der Zusammenarbeit müssen soziale Elemente erst neu erlernt werden.” Dies gelte vor allem dann, wenn Mitarbeiter teilweise vor Ort arbeiten und zum Teil von woanders. Viel des “Flurfunks”, der Kollegen im Büro verbinde, gehe für Teammitglieder im Home-Office verloren. Diese kurzen Interaktionen wirkten sich jedoch erheblich auf die Kultur von Unternehmen aus.

  1. Mark Oliver Schuller, CGI
    “Die Ansprüche der Mitarbeiter an Büroarbeitsplätze ist durch hybrides Arbeiten gestiegen, sowohl im Hinblick auf die Ausstattung als auch an die Organisation vor Ort. Wenn Unternehmen hier richtig reagieren, wirkt sich das positiv auf die Kultur aus.”
  2. Philipp Eickhoff, Atos
    “Accessibility und Inklusion werden mit Hybrid Work immer wichtiger. Jeder Arbeitsplatz, jede Softwarelösung muss jedem Angestellten eine gute Arbeitserfahrung bieten. Datengestützte Ansätze helfen, eine für sämtliche Mitarbeiter hochwertige Employee Experience zu garantieren.“
  3. Ivan Cossu, deskbird
    “Im Remote-First-Setup lässt sich Kultur offener mitgestalten als in großen Konzernen. Es braucht nicht den täglichen physischen Kontakt, sofern die Kommunikation funktioniert. Teams müssen sich nicht oft treffen – dafür aber sehr bewusst.”
  4. Frank Roidl, Getronics
    „In dieser neuen Form der Zusammenarbeit müssen soziale Elemente erst neu erlernt werden. Besonders in hybriden Modellen, wenn Mitarbeiter teilweise vor Ort arbeiten und zum Teil remote, geht viel vom Flurfunk für die Kollegen im Home Office verloren.“
  5. Thomas Muschalla, NFON
    “In Teams findet sehr viel unbewusste Kommunikation statt, die zunächst in bewusste Botschaften übersetzt werden muss, wenn ich die Remote-Kollegen ins Boot holen will. Erst dann bin ich auf dem Weg, alle Teammitglieder unabhängig vom Arbeitsort kommunikativ einzubinden.”
  6. Jens Wöhrle, onyo
    “Remote Work erlaubt es Unternehmen, viel mehr potenzielle Mitarbeiter anzusprechen, was gerade für Startups ein wichtiger Vorteil ist. Wir nutzen das Modell gezielt als Merkmal, um uns als Arbeitgeber attraktiv zu machen.”
  7. Matthias Schlimm, Orange Business
    „Besonders, wenn nicht alle Mitarbeiter gleichermaßen von hybriden Modellen profitieren können, ist Meetingdisziplin sehr wichtig, damit alle Teammitglieder eingebunden sind. Führungskräfte sollten klare Richtlinien vorgeben, beispielsweise, dass die Kamera in Meetings standardmäßig eingeschaltet ist, damit sich verteilte Teams sehen und besser miteinander agieren können.“
  8. Tobias Häckermann, Sherpany
    “Die Veränderungen, die Hybrid Work für die Desktop-Worker bringt, werden auch für Blue-Collar-Workers kommen. Die dafür notwendigen Technologien sind nicht mehr weit weg. Deshalb ist es fundamental wichtig, dass sich alle Unternehmen mit den Fragen nach einer starken Kultur auseinandersetzen.“
  9. Roman Lauffenburger, UMB AG
    “Die Zukunft der Arbeit ist hybrid. Kolleginnen und Kollegen können von überall arbeiten und haben mehr Autonomie. Das bringt mehr Produktivität und macht Arbeitgeber attraktiver. Es birgt auch Herausforderungen – wie agile Arbeitsformen, asynchrone Kollaboration, Selbstführung und Servant Leadership. Moderne Unternehmen gestalten ihre Büros attraktiv, um den Austausch zu fördern und eine kreative und inspirierende Arbeitsumgebung zu schaffen. Der höchste Reifegrad ist das „Office-centric Hybrid-Modell“. Da gibt es keine klassischen Büros mehr, sondern zentral gelegene Coworking-Hubs für Mitarbeitende. Diese sind explizit auf Kollaboration ausgerichtet und bieten eine ideale Basis für Teamevents, Workshops, Kundenevents oder Trainings.”
  10. Peer Stemmler, Zoom
    “Wenn große Teile der Belegschaft von zuhause aus arbeiten, stellt sich schnell die Frage nach der Unternehmenskultur. Ich bin überzeugt: wenn man es richtig angeht, lässt sich Kultur auch remote vollumfänglich leben und gestalten.”

Wer von Kultur spricht, meint in der Regel das Zwischenmenschliche, den Austausch. Ein wichtiges Element ist und bleibt also das Meeting – schließlich geht es dabei per Definition um die Interaktion miteinander. Hier gilt es, möglichst alle Beteiligten unabhängig vom Arbeitsort vollumfänglich zu integrieren. Besonders Meeting-Leiter stehen dabei in der Verantwortung und sollten aktiv auf Teilnehmende zugehen. “Im besten Fall werden die Remote-Teilnehmer sofort eingeweiht, wenn etwas im Büro passiert oder wenn Kollegen vor Ort über etwas lachen”, empfiehlt Tobias Häckermann, Mitgründer und CEO von Sherpany. Auch die bewusste Integration von persönlichen Elementen in Meetings, in denen Teilnehmer beispielsweise gefragt werden, wie es ihnen geht, können Brücken zwischen Büro und Home-Office schlagen.

Dabei stellt sich die Frage, wie sich die sozialen Signale, die Teams vor Ort wie selbstverständlich untereinander austauschen, für die Abstimmung aus der Ferne übersetzen lassen. Dazu müssen sie zunächst verstehen, welche solcher Signale es überhaupt gebe, meint Thomas Muschalla, Vice President Sales von NFON. Sehr viel Kommunikation fände unbewusst statt. “Wenn ich die Remote-Kollegen ins Boot holen will, muss ich mir solche Botschaften erst einmal bewusst machen,” sagt Muschalla. Dann könne man Wege finden, alle Teammitglieder unabhängig vom Arbeitsort kommunikativ einzubinden.

Doch wie lassen sich ein kurzes “High-Five” für einen erfolgreichen Vertriebsabschluss oder der Smalltalk an der Kaffeemaschine in Hybrid-Teams abbilden? Hier kann Technologie unterstützen: “Unternehmen können beispielsweise Bots in ihren Chat-Lösungen einrichten, die automatisch bei bestimmten Erfolgserlebnissen Nachrichten an das gesamte Team versenden”, schlägt Jens Wöhrle, Mitgründer von Onyo vor. Er rät auch dazu, die Kommunikation mit Remote-Kollegen nicht nur im geschäftlichen Sinne zu denken. Man könne schließlich Mitarbeiter im Home-Office auch abseits von Meetings einmal per Kopfhörer zuschalten, damit private Gespräche wie auch vor Ort möglich werden.

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Wer also eine einheitliche Unternehmenskultur auch in räumlich getrennten Teams erhalten wolle, sollte darauf achten, alle Beteiligten gleichermaßen zu integrieren. Das bedeutet zuweilen auch, eine gewisse Überkommunikation in Kauf zu nehmen: “In Chat-Verläufen allein gehen Informationen schnell verloren. Deshalb müssen wir alles über sehr viele verschiedene Kanäle kommunizieren, um jeden zu erreichen”, erklärt Peer Stemmler, Prokurist und Head of CEE von Zoom. Das sollten sich Unternehmen klar machen.

 
Studie “Hybrid Work & Collaboration 2023”: Sie können sich noch beteiligen!
Zum Thema Hybrid Work & Collaboration führt die COMPUTERWOCHE derzeit eine Multi-Client-Studie unter IT-Entscheidern durch. Haben Sie Fragen zu dieser Studie oder wollen Sie Partner werden, helfen Ihnen Regina Hermann ([email protected], Telefon: 089 36086 161) und Manuela Rädler ([email protected], Telefon: 089 36086 271) gerne weiter. Informationen zur Studie finden Sie auch hier zum Download (PDF).

Überhaupt geht es bei der Debatte um die Unternehmenskultur im Hybrid-Work-Zeitalter darum, sich der Probleme bewusst zu werden und diese ebenso bewusst anzugehen. Das betrifft auch die Wahl der Tools und der technischen Ausstattung. Dabei können Nutzer-Personas helfen zu verstehen, welche Services aus dem Portfolio an IT-Services für welche Anwendergruppe wirklich relevant sind. “Das Ziel sollte sein, so wenige Lösungen wie möglich richtig und effizient zu integrieren”, erklärt dazu Philipp Eickhoff, Head of DWP PPSO von Atos.

Es gilt also, wie so oft: weniger ist mehr – schon alleine, um die Beschäftigten nicht mit einem Potpourri aus Tools zu überfordern. Umso wichtiger, dass Führungskräfte Klarheit schaffen und ihre Teams dort abholen, wo sie stehen. “Die Einführung neuer Tools ist kein Selbstläufer”, gibt Roman Lauffenburger, Senior Business Consultant Modern Work von UMB, zu bedenken. Auch ältere Mitarbeitende, für die hybrides Arbeiten noch besonders neu sei, müssten sich in der IT-Landschaft zurechtfinden. Zu viele verschiedene Tools seien da kontraproduktiv.

Im Kontext von Hybrid Work steht und fällt die Unternehmenskultur somit mit der erfolgreichen Integration der Beschäftigten. Die räumliche Trennung der Teams erscheint manchen vielleicht zunächst wie eine große Hürde, die es zu überwinden gilt. Doch es gibt auch andere Erfahrungen: “Über unsere virtuellen Kaffee-Sessions habe ich im letzten Jahr mit fast 50 verschiedenen Leuten aus unserem Unternehmen geplaudert”, berichtet deskbird-Mann Ivan Cossu. “Ich kann mich nicht erinnern, mich jemals im Büro mit so viel verschiedenen Menschen ausgetauscht zu haben.” Und so bietet die neue Realität vielleicht auch Chancen, welche es in dieser Form zuvor nicht gab.

Informationen zu den Partner-Paketen der Studie ‘Hybrid Work & Collaboration 2023'

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