Zukunftsorientiert Finanzen regeln

ITD: Herr Funke, Syngenio ist seit mehr als 20 Jahren als hochspezialisiertes Consulting-Unternehmen im Finanzumfeld tätig. Wie stellt sich die aktuelle Situation dieser Branche für Sie dar?
Jürgen Funke: Die rasant fortschreitende Digitalisierung in allen Lebensbereichen, die durch die Corona-Pandemie zusätzlich verstärkt und beschleunigt wurde, hat im Bankensektor zu einem enormen Investitionsstau geführt. Kunden fordern verstärkt Produkte und Dienstleistungen, die digital bereitgestellt werden und darüber hinaus kundenzentriert, sprich umfassend, sind. Banken stehen vor großen Herausforderungen. Dabei geht es nicht nur um die Anpassung bestehender Geschäftsprozesse, sondern auch um die innovative Digitalisierung aller Kunden-Touchpoints entlang der gesamten Customer Journey. Leider existieren in vielen Banken noch Legacy-Systeme und veraltete IT-Landschaften, die die Integration digitaler Technologien behindern. In den kommenden Jahren ist eine vollständige Modernisierung der IT-Organisation unausweichlich, nicht zuletzt auch aufgrund einer immer strenger werdenden Regulatorik seitens des Gesetzgebers. Ein Leben in Workarounds wird nicht mehr funktionieren. Die Herausforderung liegt darin, echte Modernisierung anzugehen und gleichzeitig die Auslagerung für Sundowning-Anwendungen, also Software-Komponenten, die das Ende ihrer Lebensspanne erreichen, zu managen. Nur so können wertvolle Ressourcen zielgerichtet eingesetzt werden.

ITD: Angesichts des allgegenwärtigen Fachkräftemangels bietet sich externen Beratungsunternehmen und IT-Dienstleistern mit Branchenkompetenz also ein breites Betätigungsfeld?
Funke: Das ist richtig. Um Bestandskunden zu halten, Neukunden zu gewinnen und sich gegenüber Wettbewerbern zu behaupten, haben viele Finanzinstitute ihre Budgets in Themenfeldern wie Prozessoptimierung, Anwendungsentwicklung und Implementierung sowie IT-Security spürbar erhöht. Die Nachfrage nach Digitalisierungslösungen sowie Beratungs- und IT-Dienstleistungen ist stark. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Zugang zu Projekten automatisch gegeben ist. Der Kundennutzen muss deutlicher denn je herausgestellt werden.

ITD: Wie kann Ihr Unternehmen Finanzdienstleister bei der Umsetzung der notwendigen Veränderungen unterstützen?
Funke: Mit Innovationsgeist und agilem Vorgehen kreiert Syngenio mit jahrzehntelanger Erfahrung aus IT-Beratungsprojekten kundenzentrierte Lösungen, die sowohl Bankmitarbeiter als auch Kunden nutzen. Wir verstärken den Wandel der Organisation hin zu agilem und nutzerzentriertem Vorgehen, das in der Bankorganisation als Katalysator wirkt. Unser Ziel ist es, gemeinsam mit unserem Auftraggeber Lösungen zu entwickeln, die greifbaren Mehrwert schaffen und Bankkunden begeistern.

ITD: Wie sieht Ihr Leistungsportfolio konkret aus?
Funke: Wir liefern eine enorm große Bandbreite an Expertise, Beratung und Software-Entwicklung in den Bereichen „Payment“ und „Next Generation Banking“. Dabei vernetzten wir IT und Fachexpertise und kombinieren in unseren Projekten Analyse, Architektur, Entwicklung und Managed Services. Als innovatives Unternehmen bewegen wir uns am Puls der Zeit und helfen Banken, Payment-Service-Providern und Drittdienstleistern im Kontext von Open Finance. Unsere Mitarbeiter verstehen den Zahlungsverkehr vom Point of Sale (PoS) und E-Commerce bis ins Backend und können in allen Bereichen unterstützen. Ihre Beratung zielt nicht nur auf Software, sondern auf eine Bandbreite an Use Cases, Geschäftsmodellen und Prozessen. Wir helfen sowohl im Projektmanagement als auch bei der Software-Wartung. Banken berät Syngenio bei der Entwicklung von Kundenschnittstellen, im Zahlungsverkehr, beim Reporting sowie im Bereich „Regulatorik“. Fintechs verbindet Syngenio wiederum mit der „klassischen“ Bankenwelt, setzt Lösungen um und unterstützt Payment-Service-Provider mit Lösungskomponenten.

ITD: Wie differenzieren Sie sich von den „Big Four“-Beratungsunternehmen, sprich Deloitte, Ernst & Young, KPMG und Pricewaterhouse Coopers?
Funke: Da grenzen wir uns schon ab. Wir sind sicher nicht diejenigen, die eine komplette Bankenstrategie aufsetzen. Bei derartigen Aufgabenstellungen sind klassische Unternehmensberatungen wie die vier genannten gefordert. Wir agieren hier umsetzungsorientiert eine Ebene tiefer – wenn es darum geht, die von ihnen entwickelten „Powerpoints“ in die Praxis zu übersetzen. Wir agieren als eine Art „Spiegel“, der die Umsetzbarkeit der Strategiekonzepte – u.a. vor dem Hintergrund der vorhandenen Bestandssysteme – überprüft. Wir setzen solche Projekte nicht im Hauruckverfahren um. Wir agieren hier nachhaltig mit einer stetigen und somit kontrollierten Veränderung. Die Modernisierung der IT-Infrastrukturen, parallel zur Digitalisierung der Geschäftsprozesse, ist in jeder Hinsicht eine anspruchsvolle Leistung.

ITD: Mit welchen Problemen werden Finanzinstitute dabei konfrontiert?
Funke: Sowohl der Gesetzgeber als auch die Finanzmärkte fordern von Banken eine ständige Anpassung ihrer IT. Insbesondere die regulatorischen Vorgaben sind oft eng getaktet. So müssen Banken sowohl Echtzeitzahlungen (SEPA-Realtime) umsetzen als auch ein ganzes Bündel von Vorgaben für „Sustainable Finance“ erfüllen. Das erfordert flexible Erweiterungen der Software bei gleichzeitig sehr hohen Erwartungen an die Zuverlässigkeit. Hier können wir Finanzinstitute mit agilen Methoden unterstützen, die es ihnen erlauben, Modernisierungen gezielt, klar priorisiert, zeitnah und zuverlässig zu implementieren. Darüber hinaus sind langjährige Erfahrungen mit Anforderungen an Banksysteme häufig ein kritischer Faktor bei diesen Projekten. Wir empfehlen hierbei die Anwendung von marktspezifischen Standards, ohne dass sie haarklein konkretisiert werden müssen. Das vermeidet Fehler und erleichtert Fachabteilungen oft die Arbeit.

ITD: Welche Bedeutung haben im Rahmen der Neustrukturierung der IT-Infrastrukturen neue technologische Ansätze wie Künstliche Intelligenz (KI)?
Funke: Im Tagesgeschäft ist das Thema „KI“ noch nicht in signifikantem Maße angekommen – zumindest was die Umsetzung auf Enterprise-Ebene betrifft. Natürlich hat man auch in dieser Branche das enorme Potenzial der KI-Technologie erkannt. Aktuell werden Einsatzmöglichkeiten in unterschiedlichen Anwendungsszenarien diskutiert und auf ihre Praxistauglichkeit geprüft. Ein Fokus liegt dabei auf dem Bereich „Cybersecurity“. Hier könnten beispielsweise Teile der Gefahrenabwehr automatisiert werden. Angesichts des allgegenwärtigen Kostendrucks haben Automatisierung und der sinnvolle Einsatz personeller Ressourcen im Finanzumfeld eine hohe Relevanz. Ein Musterbeispiel, bei dem es uns gelungen ist, Abläufe mittels intelligenter Workflows deutlich effizienter zu gestalten, ist eine Low-Code-Plattform für den Fachbereich zur Umsetzung von digitalen Antragsstrecken. Mit dem „Antragsstreckenbuilder“ können Fachabteilungen vollständig digitale Antragsstrecken erstellen, bearbeiten und anschließend direkt online stellen. Der intuitiv verständliche Editor unterstützt die Sachbearbeiter Schritt für Schritt. Das modulare Baukastensystem sorgt dafür, dass langwierige Abstimmungen mit der IT-Abteilung komplett entfallen.

ITD: Einer Ihrer Tätigkeitsbereiche ist die Entwicklung und Optimierung von Digital-Payment-Prozessen. Was versteckt sich hinter diesem Begriff?
Funke: Innovative Payment-Lösungen werden in der Finanzdienstleistungsbranche aufgrund des steigenden Transaktionsvolumens immer mehr zum wettbewerbskritischen Faktor. Egal ob Banken, Handel, Fintechs, Service- oder IT-Provider in der Kreditwirtschaft: Unser Leistungsangebot „Digital Payment“ deckt alle Bereiche ab, die mit dem Zahlungsverkehr zusammenhängen. Immer dann, wenn Verbraucher oder Unternehmen einen Zahlungsprozess initiieren, sind automatisch alle IT-relevanten Bereiche angesprochen, die eine schnelle und sichere Transaktion gewährleisten. Hierbei unterstützt Syngenio mit IT-Know-how seine Kunden beim Aufbau moderner Payment-Lösungen, die die gesamte Wertschöpfungskette bei Finanzdienstleistern oder Händlern abdecken. Im Laufe der Jahre haben wir eine hohe Expertise rund um Authentifizierungsverfahren sammeln können. Unsere Experten entwickeln Komponenten für innovative Payment-Lösungen unter der Berücksichtigung der dynamischen Entwicklungen im europäischen Zahlungsraum und schaffen die Balance zwischen Anwendererlebnis und Sicherheit.

ITD: Stichwort „dynamische Entwicklung“: Immer häufiger ist im Bankenumfeld von offenen Finanzplattformen die Rede. Was kann der Laie darunter verstehen?
Funke: Im Wesentlichen unterscheidet man zwischen Open-Banking- und Open-Finance-Plattformen. Nach dem Open-Banking-Konzept können Endkunden ihre persönlichen Finanzdaten über offene Schnittstellen verschiedenen Banken bzw. Finanzdienstleistern oder Fintech-Unternehmen zugänglich machen. Grundlagen von Open Banking bilden technische Schnittstellen sowie regulatorische Vorgaben. Open Banking erleichtert die Bildung digitaler Ökosysteme und reduziert die Eintrittsbarrieren für Start-up- und Nichtbank-Unternehmen. Open Finance ist die konsequente Weiterentwicklung, quasi der nächste Schritt. Open Finance ist die Idee digitaler Ökosysteme, die neben Banking sämtliche Finanz- und finanzverwandten Themen wie Sparen, Kredite, Rentenvorsorge, Investitionen oder Versicherungen einschließen. Somit ermöglicht Open Finance die Nutzung von Open Banking in den Geschäftsprozessen anderer Branchen. Verbrauchern kann somit eine Bonität bestätigt werden, ohne, dass sie ihre Finanzen offenlegen müssen. Das wird heute beispielsweise schon bei der Vermietung von Wohnungen genutzt.

ITD: Wie kann das in der Praxis konkret aussehen?
Funke: Aus Kundensicht führt Open Finance zu mehr Komfort und vereinfacht das persönliche finanzielle Leben ganz erheblich, denn Kunden können jetzt aus einer besser auf sie zugeschnittenen Palette an Finanzdienstleistungen wählen. Über ein Open-Finance-Dashboard könnte der Kunde nun nicht nur alle seine Konten und Transaktionen, sondern seine gesamten Finanzen einschließlich Versicherungen, Anlagen oder Kredite übersichtlich verwalten. Außerdem wird er auf diese Weise zu jeder Zeit von seinen jeweiligen Finanzinstituten über aktuelle Entwicklungen auf dem Laufenden gehalten. Somit lassen sich beispielsweise Sparmöglichkeiten schneller und leichter identifizieren – mit dem Vorteil, dass Ersparnisse in die richtigen Sparprodukte fließen können. Anträge können sofort bequem und papierlos gestellt werden.

ITD: Neben einem hohen Maß an Service-Orientierung erwarten immer mehr Kunden von ihren Geschäftspartnern, dass diese ihre Leistungen nachhaltig erbringen. Welche Rolle spielte dieser Aspekt bei Erweiterung des Portfolios um den neuen Bereich „Green Enterprise IT“?
Funke: Bisher setzte man bei der Reduktion von CO₂-Emissionen hauptsächlich auf energieeffizienteren Betrieb der Hardware. Die eigentlichen Treiber der Emissionen liegen jedoch bei den Anwendungen und deren Entwicklung sowie dem Betrieb. Diese Anforderungen führen erst dazu, dass Hardware bereitgestellt und Strom verbraucht wird. Bessere Hardware kann daher nur die Folgen abmildern. Der eigentliche Ansatzpunkt ist die Software. Der Beitrag von Software zu mehr Nachhaltigkeit ist enorm und muss in Anbetracht des Klimawandels zügig erschlossen werden. Das tun wir natürlich auch im Rahmen unserer Projekte im Finanzwesen. Syngenio legt seit mehr als zwei Jahren einen Schwerpunkt auf die Entwicklung von nachhaltiger Software. Dementsprechend ist Green Software Design (GSD) integraler Bestandteil des neuen Portfoliobereichs „Green Enterprise IT“. GSD steht für mehr als nur Green Coding, nämlich für einen ganzheitlichen Ansatz mit dem Ziel, Software von Anfang an klimaschonender zu entwickeln. Dabei wird Software nicht nur in der Programmierung auf ihren Verbrauch hin untersucht und verbessert, sondern der gesamte Lebenszyklus der Software berücksichtigt. Dazu gehört beispielsweise die Langlebigkeit bzw. wie gut sich die Software warten, modernisieren und an zukünftige Bedürfnisse anpassen lässt. Wir begleiten Unternehmen bei allen wichtigen Phasen der Software-Entwicklung. Dazu gehören Schritte wie Projektierung, Full-Stack-Development mit GSD, Integration von Cybersecurity, Nutzungsmodelle wie Cloud-native oder on-premise und agile Weiterentwicklung sowie Betreuung des laufenden Betriebs mit Managed Services. Ich bin sicher, dass es spätestens in drei Jahren geforderter Standard sein wird, Nachhaltigkeitsaspekte in Software-Entwicklungsprojekte verpflichtend einzubeziehen.

ITD: Wie kann Ihr Unternehmen dazu beitragen, dieses Ziel zu erreichen?
Funke: Hier sind wir schon als eine Art Pionier unterwegs und unsere Engagements gehen über das Thema „Green Software Design“ hinaus. Denn als CO₂-neutral-zertifiziertes Unternehmen nutzen wir den Nachhaltigkeitsaspekt in der IT nicht nur im Rahmen unserer Projekte, sondern treiben das Thema auch mit Initiativen voran. Für den Wissensaustausch rief Syngenio 2022 die GSD-Community ins Leben, zu der wir Unternehmen ermutigen wollen, ihr beizutreten. Zudem bieten wir den Green Software Expertyzer an – ein Web-basiertes Expertensystem zur Bewertung des „Software Carbon Footprint“ einer Anwendung. Syngenio ist außerdem 2022 als erstes europäisches IT-Unternehmen der Green Software Foundation (GSF) beigetreten und weltweit eines der ersten 20 Unternehmen, die diese Initiative finanziell und durch Mitarbeit in Arbeitsgruppen und Projekten unterstützen.

ITD: Welche unternehmerischen Ziele verfolgen Sie mittel- und langfristig?
Funke: Wir sind eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft, deren Aktienbestand vier Hauptanteilseignern sowie den eigenen Mitarbeitern gehört. Unsere Aufgabe als Vorstand besteht, neben der konsequenten Weiterentwicklung unserer Kompetenzen und damit dem Kundennutzen – darin, den Unternehmenswert zu steigern. Das ist in den vergangenen 22 Jahren sehr erfolgreich gelungen. Wir sind kontinuierlich organisch gewachsen und verfolgen diese Strategie konsequent weiter. Uns ist allerdings bewusst, dass wir in volatilen Zeiten leben, in denen ein Höchstmaß an Flexibilität und Agilität gefordert ist. Daran arbeiten wir, ebenso wie an der kontinuierlichen Weiterentwicklung unserer Portfolio- und Geschäftsmodelle. Unser erklärtes Unternehmensziel ist es, unsere Position als eines der führenden Consulting-Häuser für den Bereich „Green Enterprise IT“ weiter auszubauen.

2021 Top-Blogs mit deutschen Inhalten

Original Post>