GAIA-X sucht einen Weg aus dem Cloud-Lock-in

„Die Cloud“ bietet Unternehmen größte Flexibilität, gepaart mit der Möglichkeit, das für ihre individuellen Anforderungen optimale Preismodell zu wählen und damit höchste Kosteneffizienz zu erzielen.

Source: GAIA-X sucht einen Weg aus dem Cloud-Lock-in

Soweit die Theorie. Mit wachsender Cloud-Nutzung wird deutlich, dass diese Vorteile sich nicht reibungslos abschöpfen lassen.

Unternehmen können gegenwärtig aus einer Vielfalt an Cloud-Angeboten wählen, die mit verschiedenen Preisstaffelungen und Leistungen aufwarten. Während Hyperscaler eine nahezu unbegrenzte Skalierbarkeit und eine überaus detaillierte Preisgestaltung bieten, stellen mittelständische Anbieter überaus spezifische Angebotspakete inklusive Bare Metal oder Dedicated Compute zur Verfügung.

Wollen Unternehmen ihre Workloads möglichst kosteneffizient verteilen, müssen sie ihre Leistungsanforderungen möglichst detailliert erhoben haben, um die Anbieter auszuwählen, deren Service- und Preisgestaltung am besten passt. Vor diesem Hintergrund ist eine weitgehend hybride Umgebung, die sich aus der Kombination der eigenen Infrastruktur mit Public-Cloud-Angeboten der Hyperscaler zusammensetzt, für viele Unternehmen die bevorzugte Lösung. Dies erscheint als das Höchstmaß an Flexibilität, das Cloud-Umgebungen derzeit zulassen.

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Wenn die Cloud zur Sackgasse wird

In der täglichen Nutzung zeigt sich jedoch, dass die Verwaltung von Cloud-Umgebungen noch stark verbesserungswürdig ist. Wünschenswert wäre es, die Umverteilung einzelner Workloads auf freie Instanzen verschiedener Anbieter nach Bedarf kurzfristig vollziehen zu können. Mit einer derart dynamischen Multi-Cloud-umgebung könnten Unternehmen die Vorteile durch Skalierbarkeit und Kosteneffizienz maximal für sich nutzen.

Die Realität sieht gegenwärtig leider noch anders aus. Selbst das Verschieben kleinerer Workloads in eine andere Cloud-Umgebung lässt sich nur mit hohem Aufwand bewerkstelligen. Die Ursache dafür liegt in der fehlenden technischen Kompatibilität zwischen den Diensten der verschiedenen Anbieter. So bilden die abweichende Gestaltung der Oberflächen sowie der APIs regelmäßig die entscheidenden Hürden für eine reibungslose Migration.

Um dieses Problem zu lösen, bieten Hyperscaler ihren Kunden Virtualisierungsplattformen in der Cloud an, beispielsweise den Betrieb von VMware in der Amazon Cloud. Zwar gestaltet sich dadurch die Migration für zumindest einen Teil der Workloads einfacher. Allerdings müssen die Kunden dafür relativ hohe zusätzliche Kosten entrichten. Auf einer Bare-Metal-Infrastruktur hingegen ließe sich dies mit weitaus geringeren Kosten verwirklichen.

Agilitätsversprechen verhallen

So müssen viele Nutzer feststellen, dass das Flexibilitätsversprechen der Multi-Cloud spätestens dann hinter den ursprünglich hohen Erwartungen zurückbleibt, wenn es um die Verwaltung geht. Der Markt regelt die Lösung dieses Problems bislang noch nicht zufriedenstellend. Kompatibilität mit anderen Cloud-Diensten herzustellen, ist für die meisten Anbieter wenig vorteilhaft.

Dies erkennt man auch daran, dass es in der Regel günstig ist, Daten in die Cloud auszulagern – sie daraus wieder zu entfernen ist im Vergleich dazu aber unverhältnismäßig teuer. Hier demonstrieren vor allem Hyperscaler ihre Marktmacht: Auf der Suche nach einem geeigneten Cloud-Anbieter sind schnelle Verfügbarkeit und Skalierbarkeit die wesentlichen Argumente zu ihren Gunsten.

Flexible Verwaltungsmöglichkeiten durch Kompatibilität mit anderen Cloud-Diensten sind für Kunden zunächst – wenn überhaupt – nachrangige Anforderungen. Diesen Umstand berücksichtigen Anbieter entsprechend bei ihrer Service- und Preisgestaltung, was man durchaus als einen Versuch der Herstellerbindung bezeichnen kann. Daher erscheint es eher unwahrscheinlich, dass Hyperscaler in unmittelbarer Zukunft ihre Angebotsgestaltung hin zu dynamischeren Verwaltungsmöglichkeiten ändern werden.

GAIA-X: Ein Entkommen aus der Falle?

Dennoch gibt es Bestrebungen, die Verwaltung von Cloud-Umgebungen dynamisch zu gestalten und somit die Flexibilitätsvorteile endlich nutzbar zu machen. Würde es gelingen, für die diversen Cloud-Angebote eine einheitliche Abstraktionsschicht zu entwickeln, ließen sich alle genutzten Clouds in einer Oberfläche vereinen.

Dort könnten die Leistung und die Kapazitäten der Clouds überwacht, Workloads verschoben und automatisch Preise verglichen werden. Derartige Cloud-Orchestrierungs-Tools befinden sich gegenwärtig allerdings noch im Entwicklungsstadium.

Einen großen Schritt weiter in diese Richtung geht die europäische Cloud-Initiative GAIA-X. Das Industriebündnis hat sich unter anderem den Aufbau von Standards für APIs, Diensteigenschaften und Funktionalitäten vorgenommen, um dauerhaft eine sichere Datenmobilität zu gewährleisten. Die Verwaltung von Cloud-Umgebungen ließe sich damit viel agiler gestalten, was schließlich auch den Wettbewerb im Markt positiv vorantreiben könnte.

Flexibilität gilt derzeit nur für die Angebotsauswahl

Bis auf Weiteres jedoch müssen Cloud-Kunden mit einer eingeschränkten Flexibilität Vorlieb nehmen: Geht es darum, Arbeitslasten erstmals in die Cloud zu migrieren, können sie aus einer Fülle von Anbietern die für sie beste Servicezusammensetzung auswählen. Wollen sie jedoch mittelfristig ihre Services anpassen, sitzen sie womöglich in einer Kostenfalle.

Marcus Busch ist seit 2019 Geschäftsführer der Leaseweb Deutschland GmbH. Zuvor war er bei Verizon Enterprise Solutions unter anderem als Country Manager und davor in der Geschäftsleitung der Media Broadcast GmbH.(Bild: Leaseweb)

Bis Cloud-Orchestrierungs-Werzeuge und -systeme oder GAIA-X für transparentere und dynamische Verwaltungsmöglichkeiten sorgen können, müssen Unternehmen Cloud-Angebote also eingehend prüfen. Die Frage, zu welchen Kosten und mit welchem Aufwand Daten wieder aus der Cloud entfernt werden können, sollte daher bei der Angebotssondierung unbedingt berücksichtigt werden.

* Der Autor Marcus Busch ist Geschäftsführer bei Leaseweb Deutschland GmbH.