Hybrid Work & Mental Health: So schützen Sie die Psyche Ihrer Arbeitnehmer

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Nachdem sich viele Menschen ihren Arbeitsplatz im Home-Office eingerichtet haben, kehrt ein Großteil nach zwei Jahren Pandemie ins Büro im Unternehmen zurück. Die neue Normalität heißt “hybrides Arbeiten” – die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden rückt dadurch noch weiter in den Mittelpunkt. Der Grund: Das Ende der Home-Office-Pflicht kann Stressfaktoren und soziale Ängste auslösen. Und: Mitarbeitende wiederum, die weiterhin remote arbeiten, können befürchten, den Anschluss ans Team vor Ort zu verlieren. Fälle von Depressionen und Angstzuständen haben während der Pandemie bereits zugenommen; der Krieg in der Ukraine ängstigt viele Menschen zusätzlich. Führungskräfte sollten es sich deshalb jetzt mehr denn je zur Aufgabe machen, positiv auf das mentale Wohlbefinden der Mitarbeitenden Einfluss zu nehmen.

Unternehmen müssen nicht nur dafür sorgen, eine ausgewogene Work Life Balance zu ermöglichen, sondern sind auch für das mentale Wohlbefinden der Belegschaft verantwortlich. Wichtig für Führungskräfte ist es dazu, die Gefühle der Mitarbeitenden ernst zu nehmen. Hier hilft eine mitarbeiterzentrierte Geschäftsstrategie: Sie ermöglicht, von Beginn an Stressfaktoren wie zu hohe Arbeitsbelastung und undeutliche oder widersprüchliche Vorgaben seitens des Unternehmens zu verhindern. Das beugt Überforderung, zusätzlicher Belastung der mentalen Gesundheit und damit auch der “Great Resignation” vor. Sie beschreibt, wenn Mitarbeitende in großer Zahl kündigen, um Erschöpfung und Burnout zu entkommen. Derzeit fühlen sich zum Beispiel Beschäftigte im Kundenservice extrem belastet – weniger als 30 Prozent sehen sich laut einer Befragung im Rahmen des “Zendesk CX Trends Reports 2022” in der Lage, gute Arbeit zu leisten.

Um Angestellte dauerhaft zu halten, müssen Unternehmen ihren Teams Unterstützungsangebote machen und die nötigen Ressourcen bereitstellen. Viele Firmen haben das bereits getan und ihren Mitarbeitenden zusätzliche Urlaubstage gegeben. Microsoft ist ein Beispiel dafür. Und auch andere Tech-Unternehmen haben konkrete Maßnahmen ergriffen. Bei Zendesk gibt es zum Beispiel den sogenannten “Recharge Friday”: Jeder zweite Freitag eines Monats ist für alle Mitarbeitenden frei und zur persönlichen Regeneration gedacht, um neue Energie zu schöpfen.

Neben den genannten Angeboten braucht es jedoch nachhaltig wirksame Maßnahmen und ein dauerhaftes Umdenken in den Führungsriegen. Denn längerfristige Strategien und Unternehmensrichtlinien erzielen die größte Wirkung, wenn es darum geht, eine engere Verbindung zwischen Mitarbeitenden und den Company-Werten herzustellen sowie das psychische Wohlbefinden der Mitarbeitenden zu erhalten.

  1. Kein Privatleben
    Wer kein Leben außerhalb des Büros hat, misst dem Job eine übertriebene Bedeutung zu.
  2. Immer erreichbar
    Auch im Urlaub Mails lesen? Wer sich erholen will, räumt den Job mal für zwei Wochen ganz raus aus dem Kopf. Der Chef will Sie erreichen können? Geben Sie ihm (“Für den äußersten Notfall”) die Handynummer ihrer Frau. Er wird nicht anrufen …
  3. Nicht schlafen
    Gesunder Schlaf ist der Schlüssel zu Wohlbefinden, Ausgeglichenheit und guter Arbeit. Wer mehr als eine Woche am Stück keine Ruhe findet, sollte sich helfen lassen.
  4. Tschaka, Tschaka!
    Seit dem letzten Motivationsseminar sind Sie mehr denn je davon überzeugt, dass Sie IMMER ALLES schaffen können. Sie sind auf dem richtigen Weg. Zum Burnout.
  5. Nie gestresst wirken wollen
    Sicher, ausrasten ist nicht gut. Aber sicher gesünder, als ständig entspannt wirken zu wollen, obwohl Sie keine Nacht mehr ruhig schlafen können.
  6. Zu wenig Bewegung
    Nehmen Sie sich nicht vor, dreimal pro Woche joggen zu gehen. Nehmen Sie sich gar nichts vor, und tun Sie es stattdessen einfach ab und zu.
  7. Die Probleme lange ignorieren
    Alle wollen wir leistungsfähig sein. Schaffen wir das nicht mehr, bezeichnen wir das meist als temporäres Problem, das von selbst wieder verschwindet. Das wird es nicht.
  8. Immer ja sagen
    “Müller, Sie schaffen das doch bestimmt bis Freitag, die Präsentation für den Kunden xy noch dazwischenzuschieben?” Versuchen Sie es bei solchen Ansagen einfach mal mit einem schlichten Nein. Spätestens beim dritten Mal wundern Sie sich, wie leicht das geht.

Unternehmen müssen ihren Fokus auf erreichte Ziele, auf Leistung statt auf Input legen. Flexibles Arbeiten hat in Zeiten der Pandemie an Beliebtheit gewonnen und viele Berufstätige möchten diese Flexibilität nicht mehr aufgeben. Spätestens in den letzten zwei Jahren haben Unternehmen sehen können, dass es keine strikte Einhaltung von 9-to-5-Arbeitszeiten braucht, um Erfolge zu erzielen. Stattdessen müssen sie lernen, darauf zu vertrauen, dass die Mitarbeitenden das Gleichgewicht zwischen Arbeitszeit und Leistung selbst definieren und am Ende des Tages die nötige und erwartete Leistung erbringen. Auf diese Weise können zum Beispiel Frühaufsteher und Nachteulen ihrem natürlichen Rhythmus folgen. Auch strikte Vorgaben, an wie vielen oder welchen Tagen Mitarbeitende im Büro sein müssen, haben keine Relevanz mehr, solange alle Aufgaben erledigt werden. So wird mentale Gesundheit durch flexible Arbeitsmodelle ganz natürlich zum festen Bestandteil der Unternehmens-DNA.

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Da alle Angestellten verschiedene Bedürfnisse haben, müssen Firmen ihre Führungskräfte zudem schulen und befähigen, sich individuell auf deren Bedürfnisse einzustellen. Auch Unternehmensrichtlinien, die das Wohlbefinden fördern und Stress abbauen, sind gute Beispiele dafür, Mitarbeitende zu ermutigen, sich um ihre mentale Gesundheit zu kümmern. Diese können von Urlaub für pflegendbedürftige Angehörige über Assistenzangebote bis hin zu Gesundheits- und Wellness-Trainings und “Zoom-freie” Tagen reichen, an denen sich Teams eine Auszeit von der Kamera nehmen können. Darüber hinaus sollten Mitarbeitende ermutigt werden, offen zu kommunizieren, wenn etwas außerhalb ihrer Arbeit ihre Aufmerksamkeit erfordert. Führungskräfte sollten vorleben und zeigen, dass es vollkommen in Ordnung ist, mehr als eine Verpflichtung zu haben. Dazu zählt auch, das Recht auf Abschalten zu schützen. In Frankreich ist es sogar gesetzlich vorgeschrieben, dass Mitarbeitende nach der üblichen Arbeitszeit keine E-Mails mehr schicken dürfen. Wir sollten jedoch nicht darauf warten, dass ein Gesetz uns sagt, dass die richtige Balance wichtig ist.

Stress und mentales Unwohlsein entstehen individuell und aus unterschiedlichen Gründen. Für einige Mitarbeitende können sogenannte Employee Resource Groups oder Empathie-Kreise als sicherer Ort dienen, um Gefühle, Ängste und Sorgen zu teilen und sich miteinander auszutauschen. Dieser persönliche Austausch mit Kollegen und Kolleginnen, unabhängig von Arbeitsthemen, ist immer wichtig für das psychische Wohlbefinden – sowohl vor Ort als auch im digitalen Raum. Unternehmen sollten hierfür sichere Räume schaffen und beachten, dass die digitalen Ansätze für Kommunikation und Kooperation auch im hybriden Arbeitsmodell erhalten bleiben, damit alle Mitarbeitenden die Chance zur Teilnahme haben. Für andere, die lieber privat und mit professionellen Coaches oder Therapeut:innen sprechen möchten, bieten sich emotionale Unterstützungsangebote wie Mental-Health-Apps an.

Während der Verlauf der COVID-19-Pandemie weltweit schwankt, sollten Unternehmen ihr Personal außerdem so gut wie möglich über die unvermeidlichen Änderungen der Arbeitsabläufe informieren. Als ein zentraler Ort für solche Informationen bietet sich beispielsweise ein interner Helpdesk mit Wissensdatenbank an, auf den Mitarbeitende rund um die Uhr zugreifen können. Für viele ist ein Übermaß an Kommunikation oft besser als ein Mangel. Selbst wenn Unternehmen nicht alle Antworten kennen, sollten sie bekannte Unbekannte kommunizieren und so weniger Raum für Spekulationen lassen. Ein Report von McKinsey über Arbeitsregelungen nach der Pandemie hat ergeben, dass sich eine klare Kommunikation vorteilhaft auf das Wohlbefinden und die Produktivität der Angestellten auswirkt. Umgekehrt gibt fast die Hälfte der Beschäftigten in Unternehmen mit vager oder nicht vorhandener Kommunikation über die Gestaltung der Arbeit nach der Pandemie an, dass dies bei ihnen Sorgen oder Ängste auslöst. Neben der proaktiven Kommunikation und Information ist es für Betriebe ebenso wichtig, gut zuzuhören, um auf alles eingehen zu können, was Angestellten auf dem Herzen liegt und Unsicherheiten schon im Keim zu ersticken.

Durch die Pandemie und das hybride Arbeiten ist mehr Arbeitnehmer:innen und Führungskräften als je zuvor klar geworden, wie wichtig eine gesunde Work Life Balance ist. Unternehmen sollten genügend Freiraum und Flexibilität bieten, um diese zu ermöglichen und so das psychische Wohlbefinden ihrer Teams zu erhalten. Wir sollten die Erkenntnisse und Herausforderungen der vergangenen zwei Jahre nicht vergessen, sondern sie nutzen, um der Frage nach der mentalen Gesundheit im Arbeitsalltag einen festen Platz in unserer hybriden Arbeitswelt der Zukunft einzuräumen. (pg)


  1. Gedrückte Stimmung, Freudlosigkeit

  2. Antriebsmangel, Hoffnungslosigkeit

  3. Negative Gedanken, Gefühle von Schuld und Wertlosigkeit

  4. Verminderte Konzentration, weniger Aufmerksamkeit

  5. Körperliche Symptome, wie verminderter Appetit, Schmerzen, Tagesmüdigkeit, Schlafstörungen, Atemnot, Schwindelgefühle oder Muskelverspannungen

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