„Wir haben eine rasend schnelle Entwicklung gesehen“

ITD: Herr Feidner, in den letzten zwei Jahren wurde die Corona-Pandemie zum Haupttreiber der Digitalen Transformation in Deutschland. Wie gut sind die Unternehmen seitdem durch die Krise gekommen?
Jens-Peter Feidner: Ganz klar vorneweg: Unternehmen mussten bereits vor 2020 in ihre digitale Infrastruktur investieren, um bei einer solch dynamischen Wirtschaftslage, wie wir sie seit einigen Jahren beobachten, wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Pandemie hat dann zusätzlich offengelegt, an welchen Stellen der IT besonderer Handlungsbedarf besteht, was wiederum zu einer Neubewertung von IT-Projekten geführt hat. Dies beeinflusst auch weiterhin erheblich die digitalen Strategien von Unternehmen. Vor kurzem haben wir eine Studie erhoben, die beispielsweise gezeigt hat, dass mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen (55 Prozent in Deutschland, 54 Prozent weltweit) ihre IT-Budgets als direkte Folge der Pandemie aufgestockt haben. Dieser Trend deckt sich mit der Einschätzung vieler Unternehmen, dass ein erhöhtes Potenzial für Innovationen und neue Technologien vorhanden ist. In der Zusammenarbeit mit Kunden haben wir in den letzten zweieinhalb Jahren gesehen, dass diese Zielsetzungen auch umgesetzt wurden und Unternehmen große Fortschritte gemacht haben.

ITD: Wie ist aktuell der Status quo, wenn es um den Digitalisierungsstand in deutschen Unternehmen geht? In welchen Bereichen gibt es nach wie vor Schwierigkeiten?
Feidner: Eine große Herausforderung für Unternehmen auf ihrem Weg in die digitale Welt ist häufig, dass die eigene, oftmals veraltete unternehmenseigene IT, nicht den Anforderungen, die die Digitalisierung mit sich bringt, gerecht wird. Unternehmenseigene Rechenzentren etwa sind oft klein und ineffizient. Colocation-Anbieter sind in der Regel weitaus effizienter im Betrieb. Zudem können sich Unternehmen schnell und sicher mit Partnern, Kunden und Service Anbietern über entsprechende Plattformen vernetzen und so Teil eines globalen Ökosystems werden, und auch erweiterte Produktangebote der Anbieter selbst nutzen, z.B. Hardware aaS (Server, Router), und auch globale Connectivity Services. Hinzu kommt natürlich der Fachkräftemangel, der ja bereits massiv in der öffentlichen Diskussion angekommen ist und auch vor dem IT-Sektor nicht Halt macht. Tendenz steigend: Laut Weltwirtschaftsforum werden bis 2025 97 Millionen neue Arbeitsplätze in der Digitalbranche entstehen. Die Ausbildung und auch Umschulung von fachfremden Arbeitskräften ist für den Fortschritt der Digitalisierung demnach maßgeblich.

ITD: Laut einer aktuellen Bitkom-Umfrage will 2023 jedes dritte Unternehmen Digitalisierungsinvestitionen zurückfahren. Für wie problematisch halten Sie einen solchen Kurswechsel?
Feidner: Die letzten zwei Pandemiejahre haben gezeigt, wie wichtig eine robuste digitale Infrastruktur und eine vorausschauende Digitalstrategie sind, um nicht abgehängt zu werden. Trotz der Sorge über eine möglicherweise drohende Rezession und ungeachtet der Diskussionen auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos über das Ende der Globalisierung, zeigen sich Unternehmen weiterhin optimistisch hinsichtlich ihrer weiteren globalen Expansionspläne. Da die Digitalisierung für den Ausbau von Geschäften maßgeblich ist, wäre eine Einsparung hier der falsche Ansatz. Erst mit einer digitalen Infrastruktur können sich Standorte, Kunden, Dienstleister, usw. erst vernetzen, daher sollten IT-Budget unbedingt ganz oben auf der Agenda stehen.

ITD: Inwiefern bietet die Digitalisierung auch Chancen für die Unternehmen, auf die aktuellen Herausforderungen (bspw. Lieferengpässe, steigende Energiekosten, Fachkräftemangel) zu reagieren und sich besser anzupassen?
Feidner: Um aktuellen Herausforderungen wie steigenden Energiekosten, Lieferengpässen oder dem Fachkräftemangel zu begegnen, ist die Digitalisierung entscheidend. Dies bedeutet konkret, dass man Prozesse durch Virtualisierung oder die Anwendung von KI beschleunigt, um effizienter zu wirtschaften. Indem mehr Prozesse digitalisiert werden, ist weniger Personal für diese Schritte notwendig. Auch Lieferengpässe können durch die Digitalisierung, zumindest teils, abgefedert werden, wenn z.B. das IT-System eines Automobilherstellers Prognosen stellen kann, wie viele Neuwagen im nächsten Quartal verkauft werden, sodass die richtige Menge rechtzeitig und in einer Transaktion bestellt werden kann. Hierbei spielen die Erfassung und Auswertung von Daten eine entscheidende Rolle. Die Einschätzung, dass die Digitalisierung in disruptiven Zeiten entscheidend ist, teilen viele Unternehmen. Ergebnisse der Global Tech Trends Survey 2022 zeigen, dass fast die Hälfte (45 Prozent in Deutschland, 47 Prozent weltweit) der Befragten, höhere Ausgaben für Carrier-neutrale Colocation-Lösungen vorsehen, um die geplante Zunahme digitaler Implementierungen zu erleichtern, und sogar noch mehr (51 Prozent in Deutschland, 59 Prozent weltweit) gaben an, ihre Investitionen in Interconnection-Services aufstocken zu wollen, um die digitale Transformation voranzutreiben und die Ausfallsicherheit ihrer Systeme zu erhöhen.

ITD: Welchen Beitrag kann die Digitalisierung womöglich auch zur Lösung des Klimawandels leisten? – Stichwort: „Green IT“?
Feidner: Grundsätzlich haben digitale Technologien einen positiven Effekt, indem sie CO2- und ressourcenaufwändige Prozesse reduzieren und gegen virtuelle, digitale austauschen, die auf einer möglichst effizienten Infrastruktur aufgebaut sind. Rechenzentren kommt als Rückgrat der digitalen Wirtschaft deshalb eine Schlüsselrolle bei der nachhaltigen Digitalisierung zu. Der Einkauf von Ökostrom, die konsequente Nutzung und Einhausung von Kaltgängen und die Begrünung von Fassaden sind weit gefächerte Beispiele, wie klimafreundlich gewirtschaftet und so zur Lösung des Klimawandels beigetragen werden kann. Begrünte Fassaden haben zum Beispiel einen ganz konkreten Nutzen: Sie filtern CO2 und agieren gleichzeitig als natürliche Klimaanlage. Wir knüpfen bei Equinix an all diesen Punkten auch selbst an und erforschen auch weitere Initiativen wie z.B. die Nutzung von Abwärme.

Als Teil der städtischen Wärmeversorgung sollte Abwärme aus Rechenzentren eine kostengünstige und nachhaltige Alternative zur konventionellen Wärme aus Kohle und Gas sein. Technisch ist dies für die Betreiber von Rechenzentren meist gut machbar, allerdings wird der großflächige Einsatz von Abwärme noch durch diverse externe Faktoren erschwert. Dazu zählen vor allem fehlende Abnehmer aufgrund veralteter Heizsysteme in den Wohngebäuden, aber auch durch unzureichenden Netzausbau oder die Unterschiede zur Netztemperatur, die aktuell noch die direkte Einspeisung ins Wärmenetz verhindern. Es wurden zwar schon große Fortschritte beim Thema „Green IT“ gemacht – langfristig können Herausforderungen hier jedoch nur im engen Austausch mit der Politik gelöst werden.

ITD: Wo liegen für große Unternehmen (z.B. Fertigungsindustrie) IT-seitig die größten Potenziale, um den eigenen ökologischen Fußabdruck zu reduzieren?
Feidner: Das größte Potenzial liegt im Wechsel von kleinen, meist ineffizienten unternehmenseigenen Rechenzentren hin zu hocheffizienten, großen Rechenzentren. Colocation-Anbieter, die Kunden – beispielsweise aus der Fertigungsindustrie – Server-Flächen zur Verfügung stellen, sind in der Regel weitaus effizienter im Betrieb. Das kommt daher, dass sie Services bündeln und regelmäßig in umweltfreundliche Upgrades investieren. So können Kunden eigene Hardware einsparen, Betriebskosten senken und gleichzeitig durch bessere Serverauslastung auch die Kühlung optimieren. All diese Maßnahmen erhöhen die Energieeffizienz der Unternehmen und reduzieren somit ihren ökologischen Fußabdruck.

ITD: Wie wird sich unsere Arbeitswelt durch die Digitale Transformation verändern? Inwiefern sollten die Unternehmen ihre Mitarbeiter auf diesen Wandel vorbereiten?
Feidner: Die Pandemie hat aufgezeigt, wie eine Arbeitswelt der Zukunft aussehen kann und beeinflusst auch weiterhin erheblich die digitalen Strategien von Unternehmen. Was wir unter dem Stichwort „New Work“ verstehen ist nichts anderes als unser Arbeitsalltag im digitalen Zeitalter. Home-Office, Coworking-Spaces, flexible Arbeitszeiten und -orte gehören längst zum Alltag vieler Unternehmen – das belegt auch unsere aktuelle Studie. Etwa die Hälfte der lokalen und globalen IT-Führungskräfte (48 Prozent beziehungsweise 52 Prozent) gaben an, die digitale Entwicklung ihres Unternehmens aufgrund der Corona-Pandemie schneller vorantreiben zu wollen. Die Arbeitswelt wird also weiterhin von dynamischen Entwicklungen geprägt sein und immer digitaler. Dementsprechend verlagern sich viele Workflows und werden mit flexiblen und skalierbaren Tools wie Cloud-Modellen zukunftssicher.

Entscheidend bei der Entwicklung ist neben der digitalen Infrastruktur auch die richtige Unternehmenskultur. Führungskräfte sollten frühzeitig dafür sorgen, dass Mitarbeiter das Know-how für den Einsatz der Technik lernen. Gleiches gilt für die Entwicklung von Strategien, die sicherstellen, dass die Unternehmenskultur unter dem digitalen Wandel bestehen bleiben oder sich sogar weiterentwickeln kann. Netzwerke aufbauen und trotz räumlicher Distanz einen guten Kontakt innerhalb von Teams aufrecht zu erhalten sind einige Dinge, worauf man besonders achten sollte.

ITD: Was müssen Unternehmen jetzt tun, um bei der Digitalisierung nicht abgehängt zu werden?
Feidner: In den vergangenen zwei Jahren hat die Entwicklung im digitalen Bereich einen Sprung um etwa ein Jahrzehnt nach vorne gemacht. Soll heißen: Wir haben eine rasend schnelle Entwicklung gesehen und viele Unternehmen waren in der Pandemie gezwungen, ihre IT-Infrastruktur grundlegend zu überdenken und anzupassen. Veraltete unternehmenseigene IT ist vermutlich die größte Herausforderung für Unternehmen auf ihrem Weg in die digitale Welt. Um nicht abgehängt zu werden, gilt es also auf zukunftsfähige Technologien zu setzen und sich auf ein digitales Fundament mit einem entsprechenden Ökosystem zu verlassen. Co-Location Rechenzentren – wie die von Equinix – bieten Unternehmen hier alle nötigen Services, um ihre Geschäftsmodelle nachhaltig zu digitalisieren. Natürlich sind die weltweiten wirtschaftlichen Probleme ein Unsicherheitsfaktor, aber wer die Vorteile der Digitalisierung richtig und zeitnah einsetzt, der kann hier für Milderung sorgen.

ITD: Was wünschen Sie sich von der deutschen Politik, um die Unternehmen aktiv bei Digitalisierungsvorhaben zu unterstützen und Hürden abzubauen?
Feidner: Dass die Zukunft digital ist, ist in Politik und Gesellschaft zwar grundsätzlich angekommen, allerdings noch nicht die dafür nötigen Konsequenzen und Entwicklungen. Was diese Entwicklung für Unternehmen und Wirtschaft bedeutet und bedeuten muss, und wie die Politik dabei weiterhelfen kann, wird eine der zentralen Fragestellungen der kommenden Jahre bleiben. Eins steht aber fest – Politik und Wirtschaft müssen hier noch deutlich enger zusammenarbeiten. Die Wirtschaft kann insbesondere dabei helfen, den Bedarf zu identifizieren und diesen gemeinsam mit der Politik angehen. Ein wesentlicher Grundpfeiler für eine starke, zukunftssichere und digitalisierte Gesamtwirtschaft ist der Zugang zu digitaler Infrastruktur, die sich aus Latenzgründen oftmals unbedingt in der näheren Umgebung von Unternehmen und anderen Rechenzentren befinden sollte. Daher ist es essentiell, dass Rechenzentren auch weiter an den bedeutenden deutschen Standorten und digitalen Ballungszentren gefördert werden – wo sie zum wirtschaftlichen Wohlstand der jeweiligen Regionen einen aktiven Beitrag leisten.

Bildquelle: Equinix

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