Mensch, Maschine, Misstrauen?

Die Situation scheint sich deutlich verändert zu haben – zumindest suggeriert das eine aktuelle Studie von Adesso. Der IT-Dienstleister hat IT-Experten zum Thema „Trustworthy AI“ befragt. Das Ergebnis: Die Mehrheit (88 Prozent) erhofft sich durch den Einsatz von KI bessere Entscheidungen treffen zu können. Genauso optimistisch sind die Teilnehmer bei der Frage, wie Anwender zu der Technologie stehen: 61 Prozent sind überzeugt, dass Verbraucher Künstliche Intelligenz als grundlegend vertrauenswürdig einstufen.

Greifbare Formen

Ist dieser Vertrauensvorschuss tatsächlich gegeben? „Dem würde ich zustimmen“, sagt Torsten Grabs, Direktor für Produktmanagement bei Snowflake. „Ein wesentlicher Trend besteht darin, dass Künstliche Intelligenz und Machine Learning (ML) allmählich die ‚Theoriephase‘ überwinden und in greifbare Formen übergehen, die wir beobachten können“, erklärt er. Es müsse jedoch immer noch sichergestellt werden, dass KI ethisch vertretbar eingesetzt und verbessert werde.

„Wir nehmen unterschiedliche Facetten bezüglich Vertrauen gegenüber Künstlicher Intelligenz wahr“, sagt Lilian Do Khac, Senior Consultant bei Adesso. Zum einen sei KI bereits in vielen der alltäglichen Services, Produkte und Unternehmensprozesse eingezogen und es würden vermehrt positive Erlebnisse erzeugt. Aus wissenschaftlicher Sicht sei womöglich so die Neigung zum Vertrauen gegenüber KI im positiven Sinne gestiegen. „Zum anderen nehmen wir die Angst vor dem Jobverlust wegen der Einführung von KI-Systemen wahr“, so die IT-Expertin.

Vom Industrie- zum Internetzeitalter

Dass jede neue Technologie zunächst auf Skepsis hinsichtlich ihrer Kosten und der Veränderung, die sie mit sich bringt, stößt, betont Markus Hacker, Direktor Enterprise Business DACH bei Nvidia. Allerdings habe die Vergangenheit gezeigt, dass Technologie der Motor des wirtschaftlichen Wachstums sei. „Bei jedem großen wirtschaftlichen Wandel – vom Industriezeitalter, über das Computerzeitalter bis hin zum Internetzeitalter – haben sich viele neue Möglichkeiten ergeben, die zu mehr Arbeitsplätzen, höherer Produktivität und besserer Lebensqualität geführt haben“, hebt er hervor. „In der kommenden KI-Ära werden intelligente Fahrzeuge Leben retten und die Lkw-Branche unterstützen. Die intelligente Landwirtschaft wird mehr Lebensmittel zu geringeren Kosten produzieren.“

Zwar ist KI kein neues Konzept, allerdings wird das Machbare regelmäßig erweitert und Grenzen werden verschoben. „Damit einhergehend sind auch einige Trends zu beobachten“, informiert Grabs. „Zum einen war KI früher etwas, das nur einigen wenigen Eliteunternehmen vorbehalten war, die Talente ausbilden konnten, um von den KI-Funktionen zu profitieren. Doch inzwischen halten diese Tools und Talente Einzug in jedes Unternehmen.“ Das Ökosystem der Daten, die für das Training der KI-Modelle zur Verfügung stünden, bilde eine weitere Grenzverschiebung, die wie eine Art Katalysator funktioniere. „Unsere Kunden greifen beispielsweise auf moderne Tools wie Data-Clean-Rooms zurück, um Datensilos aufzubrechen, die die KI bisher in ihrer Funktion eingeschränkt haben“, erläutert er.

Anomalien frühzeitig erkennen

KI wird also auch immer leichter zugänglich. „Software-Lösungen wie Nvidia AI Enterprise unterstützen eine breite Palette von KI- und Data-Science-Workflows über KI-Infrastrukturen und Clouds. Selbst umfangreiche KI-Modelle, wie große Sprachmodelle mit Milliarden von Parametern, können jetzt mit nur einer Software schnell genutzt werden, um kundenspezifische Sprachanwendungen zu entwickeln“, sagt Markus Hacker. Mit Blick in die Zukunft seien noch viele weitere Fortschritte zu erwarten, da sich KI immer mehr an die Edge verlagere und die Modelle noch stärker in Unternehmensanwendungen integriert würden.

Sollten Unternehmen überlegen, KI in ihren Alltag zu implementieren, steht vor allem anderen eine solide Planung – und vielerorts auch die Frage nach der Cybersecurity. Ist Künstliche Intelligenz selbst sicher? Kann sie gar helfen, Abläufe sicherer zu gestalten? Und wenn ja, wie könnte das funktionieren? Das erklärt Lilian Do Khac: „Wenn man die steigende Häufigkeit von Cyberangriffen als Überfrachtung von Events betrachtet, ähnlich wie bei Kundenanfragen, so kann mit ML die IT-Sicherheit insofern unterstützt werden, indem mit ML-Algorithmen riesige Mengen an Daten in kurzer Zeit durchforstet werden.“ Dadurch können Anomalien erkannt und frühzeitig gemeldet werden.

Eine neue IT-Sicherheit

Ähnlich sieht das Nvidia-Experte Hacker: „Im Kern ist Cybersicherheit ein Datenproblem“, betont er. Da die Datenmenge über vernetzte Geräte immer weiter ansteige, gebe es zum einen zu viele Daten und zum anderen zu viele Arten von Daten. Hinzu kommt: „Die Datenmengen wachsen zu schnell an.“ Künstliche Intelligenz sei also erforderlich, um diese Herausforderungen zu bewältigen. Offene KI-Frameworks für Anwendungen ermöglichten es Cybersecurity-Entwicklern, optimierte Pipelines für die Filterung, Verarbeitung und Klassifizierung großer Mengen an Echtzeitdaten zu erstellen. „KI bringt eine neue Ebene der Informationssicherheit nicht nur in das Rechenzentrum, sondern auch in die Cloud und den Edge-Bereich und kann dabei helfen, Bedrohungen und Anomalien, die bisher nicht erkannt werden konnten, zu erkennen, zu erfassen und darauf zu reagieren“, ist er sich sicher.

Teilweise ist auch schon heute zu beobachten, wie KI und ML die Sicherheit in verschiedenen Unternehmens-ITs verbessert. „Ein wesentliches Element ist die Erkennung von Bedrohungen sowie deren zeitnahe Eliminierung“, erklärt Torsten Grabs. Die Möglichkeiten der KI würden sich auch an dieser Stelle stetig weiterentwickeln, sodass Teams gerüstet sind und besser mit der Geschwindigkeit umgehen können, mit der neue Sicherheitsbedrohungen auftauchen. Grabs rät Unternehmen dazu, klein anzufangen: „Jede Branche wird sich aufgrund dieser neuen Technologien über kurz oder lang weiterentwickeln, aber es ist wichtig, zu bedenken, dass es sich dabei um einen Marathon und nicht um einen Sprint handelt.“

KI als New Normal?

Er vermutet, dass KI auf die eine oder andere Weise zur neuen Normalität in Unternehmen werden wird, da die Technologie Unternehmen zunehmend beeinflussen und voneinander abheben wird. „Letzten Endes werden die erfolgreichsten Unternehmen diejenigen sein, die die Bedürfnisse ihrer Kunden am besten erfüllen können – und, richtig eingesetzt, versetzt Künstliche Intelligenz Unternehmen in die Lage, besser auf die individuellen und sich ständig weiterentwickelnden Bedürfnisse ihrer Kunden einzugehen.“ Dem schließen sich Markus Hacker und Lilian Do Khac an.

Do Khac betont zudem, dass neue Rollen in Unternehmen notwendig sein werden, um Entwicklung und Implementierung von neuen autonomen Systemen sowie deren Überwachung und Verbesserung stemmen zu können. „Dabei müssen Unternehmen verstehen, wie Menschen mit Maschinen zusammenarbeiten können, um so die Stärken der jeweiligen Partei maximieren zu können“, betont die IT-Expertin. Eine vertrauenswürdige KI spiele dabei eine große Rolle. Unternehmen müssten sich damit auseinandersetzen, wie sie den konformen Einsatz von KI über eine entsprechende Governance sicherstellen können. „Nur so kann Künstliche Intelligenz im Unternehmen zu einem New Normal werden.“

Neuer Optimismus

Adesso hat 500 Entscheider, die in Unternehmen mit KI-Anwendungen arbeiten und Systeme entwickeln, zum Thema „Trustworthy AI“ befragt. Das überraschende Ergebnis der Studie: Das Vertrauen in Künstliche Intelligenz ist hoch. Dennoch wünschen sich 80 Prozent der Befragten, dass KI grundsätzlich nicht gänzlich ohne menschliche Kontrolle eingesetzt werden sollte. Um sie zudem im Unternehmenskontext weiter voranzubringen, müssen Firmen aus Sicht der Studienteilnehmer die Mitarbeiter stärker in KI-Projekte involvieren, um auch an dieser Stelle das nötige Vertrauen in die Technologie zu erhöhen. Darin sehen 70 Prozent der Befragten eine große Herausforderung.

Bildquelle: Getty Images / iStock / Getty Images Plus

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