Mehr Kreativität für die Mitarbeiter

In den vergangenen Wochen gab es viele Diskussionen rund um Arbeitsorganisation und den Umgang mit den Mitarbeitern. In einigen Unternehmen wird die Uhr wieder auf 2019 gestellt und Homeoffice nur noch ausnahmsweise erlaubt. Andere Unternehmen verkleinern Büroflächen und sehen die Chancen für Hybrid Work als neue Normalität.

ITD: Herr Raberger, wie positioniert sich Ricoh in dieser Diskussion?
Michael Raberger: Arbeitnehmer erwarten heute eine andere Art von Führung, nämlich eine Unternehmenskultur des Vertrauens, der Zusammenarbeit und letztlich auch der Agilität. Sie ist in unserem Unternehmen eine wichtige Voraussetzung für den anstehenden Wandel. Denn Ricoh verändert sich von der klassischen produktgetriebenen Organisation zu einer Service-Organisation. Und dabei stehen vor allem Menschen, Plattformen und Prozesse im Vordergrund. Unsere Mitarbeiter wollen unseren Kunden eine nahtlose und positive Dienstleistungserfahrung liefern. Das funktioniert ­allerdings nur dann, wenn sie ihre an sich hohe, intrinsische Motivation behalten und in die Entwicklungen eingebunden sind. Wir werden den Unternehmenswandel, der nie aufhören wird, nur zusammen mit den Mitarbeitern schaffen. Außerdem wird Ricoh digitale Talente nur mit einer modernen Unternehmenskultur anziehen können.

ITD: Viele Talente entstammen der viel zitierten „Generation Z“, die teils andere Vorstellungen von Erwerbsarbeit hat, die Flexibilität und Sinnhaftigkeit schätzt. Wie integrieren Sie junge Mitarbeiter in Ihre Unternehmenskultur?
Raberger: Unsere Unternehmenskultur ist auch für junge Leute attraktiv. Allerdings erkenne ich keine fundamentalen Unterschiede ­zwischen den Generationen. ­Natürlich gibt es andere Vorstellungen: Beispielsweise sind schnelle Karriere und ein eigenes Auto manchen vielleicht weniger wichtig, Nachhaltigkeit wird sehr stark betont. Der deutlichste Unterschied: Jüngere Leute haben ein höheres Sicherheitsbedürfnis. Das kann man an unseren Nachwuchskräften gut beobachten. In den vergangenen drei Jahren sind sie stark verunsichert worden. Sie schätzen es deshalb sehr, in einem stabilen Umfeld zu arbeiten, und suchen nach einem langfristigen Arbeitgeber. Sie planen nicht nur für wenige Jahre, z.B. bis zum Ende der Ausbildung, sondern langfristig darüber hinaus. Sie zeigen dieselbe Motivation wie unsere erfahrenen Mitarbeiter.

ITD: Sie sind Ricoh schon lange ­verbunden, jahrelang haben Sie das Österreich-Geschäft verantwortet, seit wenigen Monaten führen Sie Ricoh Deutschland. Wie gehen Sie Ihre neuen Aufgaben an? Was motiviert Sie persönlich?
Raberger: Gerade jetzt ist es sehr spannend, die neue, digital geprägte Arbeitswelt mitgestalten und das Büro neu denken zu ­dürfen. Deutschland ist nicht nur der wichtigste Markt der Ricoh-Gruppe in Europa, sondern hat auch eine interessante Ausgangslage: Es gibt eine große Lücke ­zwischen starker Wirtschaftskraft und dem – noch unzureichenden – ­Digitalisierungsgrad. Darin stecken ein großes Potenzial und eine hohe Nachfrage nach digitalen Services. Hier wollen wir weiterhin ein wichtiger Kompetenz- und Technologiepartner für unsere Kunden sein. Denn das Unternehmen hat ein starkes Fundament: Weltweit helfen wir seit 86 Jahren Menschen und Organisationen mithilfe von Technologien, ihre Arbeitsplätze und ihren Arbeits­alltag besser zu machen. Den Transformationsprozess verfolgen wir schon lange konsequent – vom Hersteller von Multifunktionsge­räten hin zu einer Digital Services Company. Dienstleistungen, wie Komplettausstattungen von Meeting-Räumen, Enterprise Content Management (ECM) und Dokumenten-Management mit Docuware oder Ricoh Intelligent Data Exchange (IDX), aber auch unsere Managed-Service-Desk-Lösungen sind wichtige Wachstumsbereiche. Die digitalen Services machen bereits gut ein Drittel des Um­satzes der Ricoh-Gruppe in Deutschland aus. Zugleich bleiben auch das Office- ­sowie das Commercial- und Industrial-Printing umsatzstarke Kernbereiche. Die Nachfrage in diesem traditionellen Geschäft ist wieder stabil und sobald sich die weltweite Waren­verfügbarkeit weiter verbessert, erwarten wir einen Wachstumsschub.

ITD: Das scheint eine vielfältige ­Aufgabe zu sein. Was sind für Sie die wichtigsten Handlungsfelder als CEO und Themen, die Sie ­beschäftigen?
Raberger: Als Konzern haben wir eine langfristige Vision. Es geht um „Fulfillment through work“, also Erfüllung im Arbeitsalltag, durch den Fokus auf kreative Tätigkeiten statt auf repetitive Arbeit. Das gilt für unsere Kunden gleichermaßen wie auch für unsere Beschäftigten. Daher liegt mein Schwerpunkt auf drei Bereichen: Mitarbeiterzufriedenheit, danach Innovation und – in Konsequenz von beidem – Profitabilitätswachstum – und das auch in dieser Reihenfolge. New Work ist hier nicht nur ein Aspekt, sondern ein bestimmendes Thema, das sich in unserem Portfolio ­widerspiegelt. Wir wollen die ­Veränderungen in der Arbeitswelt mitgestalten und entsprechende Technologien bereitstellen, die Kreativität fördern und gleichzeitig die Zufriedenheit von Mitarbeitern und Kunden stärken.

ITD: Bei Mitarbeiterzufriedenheit fällt einem heute direkt das Stichwort „Homeoffice“ oder zumindest ­„Remote Work“ ein. Wie sieht das bei Ihnen aus? Wollen Sie die Leute wieder ins Büro zurückholen?
Raberger: Es ist ja spannend, dass sich unser Portfolio am Wandel der Arbeitswelt ausrichtet, der alle Menschen sehr beschäftigt. In den vergangenen drei Jahren hat sich gezeigt, dass viele Unternehmen auch mit 100 Prozent Homeoffice gut funktionieren. Heute können auch Fachabteilungen wie Human Resources (HR) oder Buchhaltung mithilfe der Cloud und entsprechenden Tools effektiv remote arbeiten. Doch für einzelne Per­sonen ist das nicht immer das beste Modell. Hinzu kommen der Umweltaspekt und die Möglich­keiten der CO2-Einsparung durch weniger Pendelverkehr. Deshalb finde ich eine andere Regelung besser: Die Mit­arbeiter erhalten eine individuelle Gestaltungsmöglichkeit in Bezug auf Zeit und Ort, wo wann und wie gearbeitet wird. So kann das Unternehmen unterschiedliche Arbeitsstile und Bedürfnisse berücksichtigen. Bei uns gibt es darüber hinaus derzeit eine Empfehlung, mindestens einen Tag der Woche ins Büro zu kommen – in erster Linie für Meetings. Das von uns bevorzugte hybride Arbeits­modell mit ortsunabhängigen Kollaborations-Tools sowie das digitale Dokumenten-Management sind für die geschäftskritische ­Flexibilität elementar. Natürlich ist die Gewichtung der Büroarbeit unterschiedlich ausgeprägt. Ein Start-up oder international aus­gerichtetes Enterprise hat andere Geschäftsmodelle und eine andere digitale Unternehmenskultur als vielleicht ein traditioneller deutscher Mittelständler. Aber ganz klar: Das Büro ist mit seiner so­zialen Komponente, als Ort der Kreativarbeit sowie für die emo­tionale Bindung zum Unter­nehmen unersetzlich. Es muss den engen Austausch im Team, mit Kunden und Partnern er­möglichen, um beispielsweise ­gemeinsam an neuen Lösungen zu arbeiten. Wir empfehlen den Aufbau von attraktiven Arbeits- und ­Meeting-Bereichen, die mit ­modernsten Tools wie Interactive Whiteboards die Zusammenarbeit und Produktivität unterstützen.

ITD: Blicken wir auf die Erwartungshaltung der Mitarbeiter: Hybride Arbeitsplatzkonzepte sind beliebt. Sie sind allerdings technisch aufwendig. Welche Voraussetzungen müssen Unternehmen erfüllen?
Raberger: Wir denken immer kundenzentriert und dafür ist die Perspektive auf eine neue Arbeitswelt und ihre weitere Entwicklung sehr wichtig. Im Moment entsteht in unserer Wirtschaft ein neues Verständnis von Arbeit, letztlich auch von digitalen Technologien getrieben. Vielfach ist Homeoffice das deutliche Zeichen, dass die flexiblere, selbstbestimmte Gestaltung des Arbeitsalltags zu einer neuen Selbstverständlichkeit geworden ist. Wenn aus New Work eine wirklich kluge Verbindung von Privat- und Berufsleben werden soll, bei der zusätzlich die Produktivität gesteigert werden kann, hilft keine Vermischung, sondern eine Entgrenzung der Arbeitszeiten. Trendforscher sprechen von einem Work-Life-Blending-Modell. Wir können sehr individuell und flexibel dabei helfen, nicht nur den Büroarbeitsplatz attraktiver zu machen, sondern auch das hybride Arbeitsmodell im Ganzen. Es wird für Unternehmen zunehmend zu einer neuen Dimension der Wertschöpfung, den Menschen in den Fokus zu rücken und ein nachhaltiges, engagiertes Unternehmen mit zufriedenen Mitarbeitern zu sein. So begegnet man auch jüngsten Phänomenen wie dem Quiet Quitting.

ITD: Sie haben genau dieses Thema, die innere Kündigung, in einer ­aktuellen Studie untersucht. Wie groß ist dieses Problem wirklich?
Raberger: Wir haben herausgefunden, dass die Beschränkung der Arbeitsleistung „auf das Nötigste“ ein Randthema ist. Nur vier Prozent der Befragten unterstützen das Quiet Quitting. Die Mehrheit der deutschen Arbeitnehmer wünschten sich mehr Inspiration und ­Kreativität in ihrem Job, 83 Prozent beschreiben sich als engagiert, 57 Prozent hätten jedoch mehr Freude an ihrer Arbeit, wenn sie mehr Zeit für kreative Aufgaben hätten. Es geht also um die schon erwähnte Sinnstiftung der Arbeit. Hierfür sind hybride Arbeitsmodelle beliebt: Fast zwei Drittel der Befragten möchten von anderen Personen im Büro lernen. Kollaborativer Austausch, modernste Meeting-Räume und funktionierendes Desk Sharing steigern die Attrak­tivität – mit Technologie als „En­abler“. Aber wir haben in einer anderen Studie gesehen, dass in den Unternehmen noch viel Luft nach oben ist: Laut unserer Befragung unter 500 deutschen Büro­angestellten im Frühjahr dieses Jahres verwenden nur elf Prozent der Beschäftigten Tools zur Automatisierung von Arbeitsabläufen, 51 Prozent gaben an, dass sich die Investitionen ihres Unternehmens in Tools im vergangenen Jahr nicht erhöht haben. Gleichzeitig sind fast zwei Drittel der Ansicht, dass die Prozessautomatisierung ihre Arbeitsqualität und die Workflows verbessern würde.

ITD: Gewünscht wird also mehr Digitalisierung, nicht weniger. Wie sieht der ideale digitale Arbeitsplatz aus?
Raberger: Der digitale Arbeitsplatz vernetzt Menschen miteinander, die das gesamte Potenzial eines Unternehmens prägen. Er spielt eine Schlüsselrolle für den zukünftigen Firmenerfolg und die Wett­bewerbsfähigkeit, indem dieser ein Framework mit integrierter Technologie, neuen Prozessen sowie Zugriff auf Anwendungen und Daten ermöglicht. Dank neuer, hybrider Arbeitszeitmodelle, Desk Sharing, Remote Work und kollaborativem Arbeiten in der Cloud werden Arbeitsabläufe effizienter, zeitsparender und somit produk­tiver. Zugleich braucht es für die Remote-Arbeit auch noch klare Standards und Betriebsverein­barungen, damit der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht nachkommen kann und unterschiedliche Beteiligte wie Human Resources, IT sowie der Betriebsrat involviert bleiben.

ITD: Wie wirken sich diese Entwicklungen auf Ricoh aus? Welche ­Produkte und Services sind be­sonders stark nachgefragt?
Raberger: Wir sehen viel Dynamik und eine Umsatzsteigerung über einem Drittel zum Vorjahr innerhalb der Gruppe, insbesondere in der hohen Nachfrage nach neuen, standardisierten Meeting-Raumkonzepten: Unsere Kunden investieren in „Ricoh Meeting Spaces“. Dahinter stehen komplett ausgestattete Konferenzräume mit umfassendem technischem Support, natürlich Compliance- und datenschutzkonform. Aber auch der Digital Workplace ändert sich. Modernste Videotechnik hebt beispielsweise den Redenden hervor. Interaktive Whiteboards sind hochgradig kollaborativ und produktivitätssteigernd. Und darüber hinaus sind Software-Lösungen gefragt: Das fängt an mit Orga­nisations-Tools für die Büro- und Desk-Sharing-Organisation und reicht bis zu Software, die ortsunabhängiges Scannen und Speichern von Dokumenten über die Multifunktionsdrucker ermöglicht. Für den Mittelstand, Behörden und Konzerne gleichermaßen interessant: Business-relevante ECM-Lösungen stellen das digitale Dokumenten-Management auf eine Stufe, etwa für die Rechnungs-Workflows und Archivierung. Das funktioniert sogar ohne ein extra IT-Projekt und zusätzliche Investitionen in Hard- und Software: Dokumente wie Rechnungen, Gutschriften und Mahnungen werden über einen virtuellen Druckertreiber digital verschickt. Das spart Zeit, Geld und Ressourcen, die Arbeitsabläufe werden schneller und effizienter. Ein Dienstleister muss den neuen Digital Workplace ganzheitlich als Bestandteil der IT-Infrastruktur betrachten. Es geht um nahtlose IT und dass die Systeme miteinander funktionieren. Kunden schätzen es, dafür nur einen Ansprechpartner zu haben und dass im Hintergrund die ­jeweiligen Spezialisten wirken. Alles aus einer Hand – das ist ­unsere Maxime, die wir durch unser ­breites Portfolio und mit unseren Partnern gewährleisten können.

ITD: Digitalisierung ist seit Jahren das Topthema. Wie weit sind die Unternehmen Ihrer Erfahrung nach? Wie können die Unter­nehmen Lücken schließen?
Raberger: Es gibt eine „Gap“ im starken Wirtschafts- und Bildungsstandort Deutschland, was den digitalen Wandel betrifft. Die Digitalisierung geht trotz Pandemie-Push noch zu langsam voran. Ein vorrangiger Schritt kann es sein, papierlos zu werden und die eigenen papierbasierten Prozesse zu digitalisieren. Wenn Akten, Rechnungen und Verträge in digitaler Form vorliegen, können Mitarbeiter jederzeit auf kritische Informationen zugreifen. Technologie ist aber kein Selbstzweck – der Geschäftserfolg und die Zukunfts­fähigkeit eines Unternehmens sind abhängig von der Offenheit, Neugier und Konsequenz, mit der Digitalisierungsstrategien eingeführt und gelebt werden. Auch unsere Ziele „Mitarbeiterzufriedenheit“, „Innovation“ und „Profitabilitätswachstum“ spiegeln diese ganz­heitliche Perspektive auf eine neue Arbeitswelt wider.

Michael Raberger
Alter: 51 Jahre
Derzeitige Position: CEO der Ricoh Deutschland GmbH

Bildquelle: Mike Henning

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