„Zunächst ist die Cloud auch Teil des Problems“

ITD: Herr Kümmerlein, Deutschland will
bis 2045 klimaneutral sein. Welche Rolle spielt dabei die Cloud?
Kümmerlein:
Deutschland will als nennenswerte CO₂-neutrale Energiequellen nur Windkraft und Photovoltaik nutzen. Beide Energiequellen sind wetterabhängig. Der permanente Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage müsste durch große Zwischenspeicher oder die Umkehrung des Markts stattfinden. Große Zwischenspeicher in Form von Stauseen sind in Deutschland überwiegend ausgereizt, Wasserstoff und Batteriespeicher noch nicht ausreichend vorhanden. Cloud ist also der Lösungsbaustein, der Verbraucher zu virtuellen Großverbrauchern zusammenführt und die Nachfrage an das aktuelle Angebot anpasst.

ITD: Welche Potenziale bietet die Cloud, wenn wir über Lösungen für die Energiekrise sprechen?
Kümmerlein:
Zunächst ist die Cloud natürlich auch Teil des Problems einer Energiekrise, denn Cloud sind am Ende Tausende von Rechnern, die Strom verbrauchen. Weil aber Strom an sich nicht knapp ist, sondern nur zu bestimmten Zeiten, können virtuelle positive wie negative Kraftwerke Last- und Produktionsspitzen abfedern. Das Stromnetz an sich hat keine Speicherfähigkeit und der Markt muss in jeder Sekunde ausgeglichen sein. Hierzu kann intelligente Steuerung mit Cloud-Technologie beitragen.

ITD: Wie genau kann durch Technologien, wie z.B. die Cloud, ein positiver Nutzen für Unternehmen und Gesellschaft aus einer punktuellen Laststeuerung der Industrie entstehen?
Kümmerlein:
Großverbraucher haben bereits die Möglichkeit, Strom an Börsen mit stark variierenden Preisen zu handeln. Für Endverbraucher und Kleinabnehmer gilt ein gleichbleibender Preis pro Kilowattstunden das ganze Jahr. So entsteht aber kein Anreiz, auf die Verfügbarkeit von Strom im Netz Rücksicht zu nehmen. Dabei ändern Preisanreize das Nutzerverhalten unmittelbar. Besitzer einer Photovoltaikanlage verlegen z.B. unmittelbar den Eigenverbrauch auf die Sonnenstunden, um ein Maximum aus dem kostenfreien Strom selbst zu verwenden. In dem Moment, wo ein neues Strommarktdesign einer größeren Gruppe von Akteuren Zugriff auf günstige Preise, aber eben auch auf hohe Preise gibt, werden Verbraucher ihr Verhalten anpassen. Es lohnt sich dann, in Steuerungstechnologie zu investieren. Für Unternehmen und Gesellschaft wird es also einen positiven Business Case für den Einsatz solcher Technologien geben.

ITD: Wo sehen Sie zurzeit noch die größten Schwierig­keiten beim Thema „Cloud-Einsatz“?
Kümmerlein:
Aktuell sind die politischen Rahmenbedingungen für ein neues Strommarktdesign noch nicht geschaffen. Damit meine ich sowohl Regulatorik und Datenschutz als auch monetäre Anreizsysteme. Der Einsatz von Cloud-Technologie zur Laststeuerung bedeutet erhebliche Investitionen und Prozessveränderungen für Unternehmen. Ohne finanzielle Anreize in Form von Ausnutzung niedriger Energiepreise werden Unternehmen voraussichtlich noch nicht handeln.

Software as a Service: Die 30 wichtigsten SaaS-Anbieter

CIO-Trends 2022: Das muss auf die IT-Agenda

Original Post>