Führung im Tandem: Do’s and Don’ts für erfolgreiche Doppelspitzen



 

In Unternehmen ist ein Trend zu beobachten, in den verschiedensten Managementebenen die Führungsverantwortung auf die zwei Schultern eines Führungstandems zu verteilen.

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Die Unzufriedenheit vieler Mitarbeitender in Unternehmen lässt sich maßgeblich auf ein fehlerhaftes Führungsverhalten der Vorgesetzten sowie auf eine allgemein eher als negativ empfundene Unternehmenskultur zurückführen. Das ist das Ergebnis des Reports “State of the Global Workplace 2023” der internationalen Beratungsagentur Gallup. In Folge nimmt nicht nur das Stress-Level vieler Arbeitnehmer massiv zu. Je schlechter die Führung am Arbeitsplatz wahrgenommen wird, desto geringer ist auch die emotionale Bindung der Beschäftigten zum Arbeitgeber. Und damit steigt letztlich auch ihre Wechselbereitschaft.

Was lässt sich also tun, um die Führungsqualitäten in Unternehmen zu erhöhen? Lösungsansätze wie gezielte Coachings und Weiterbildungen gibt es natürlich viele. Hilfreich kann es aber auch sein, noch einmal einen Schritt zurückzugehen und die Frage zu stellen, wie Führung per se in einer Organisation ausgestaltet werden soll. Ein Modell, das dabei immer beliebter wird, ist die Doppelspitze.

  1. Falle 1: Die Wichtigkeit der Antrittsrede unterschätzen
    Es ist hilfreich, die Mannschaft zu einem Come together einzuladen und sich noch einmal offiziell vorzustellen. In einer kurzen Rede sollte man zum einen etwas über sich samt Werdegang erzählen und zum anderen bereits einen Einblick in den Führungsstil sowie Werte und Ziele geben.
  2. Falle 2: Sofort alles auf den Kopf stellen
    Neue Führungskräfte verfallen wegen der hohen Erwartungshaltung häufig in blinden Aktionismus. Es ist besser, die ersten Wochen für Mitarbeitergespräche zu nutzen. So bekommen Sie einen Überblick über Erwartungen, Aufgaben, Zusammenarbeit, Prozesse und mögliche Knackpunkte. Erst nach der Bestandsaufnahme sollten Veränderungen unter Einbindung der Mitarbeiter angestoßen werden.
  3. Falle 3: Von Mitarbeitern instrumentalisieren lassen
    Kommt eine neue Führungskraft, tendieren Mitarbeiter gerne dazu, sie für ungeklärte und unbefriedigende Belange einzuspannen, damit sie sich für diese Anliegen gegenüber Dritten starkmacht. Aber hier ist Vorsicht geboten, weil oft nur die subjektive Wahrnehmung ans Licht kommt. Man sollte also keine Versprechungen machen und voreiligen Entscheidungen treffen, sondern sich zunächst einen umfassenden Eindruck über den Status quo und über Verantwortlichkeiten verschaffen.
  4. Falle 4: Intensive Freundschaften mit Mitarbeitern eingehen
    Entwickeln sich Freundschaften zu einzelnen Kollegen, sollte man hinterfragen, welchen Einfluss die Beziehung auf das Tagesgeschäft im Unternehmen hat und welchen Eindruck Kollegen und Vorgesetzte bekommen, wenn sie von der Freundschaft erfahren. Zum Schutz von Führungskraft und Mitarbeiter ist es daher sinnvoll, ausreichend Distanz zu wahren.
  5. Falle 5: Recht behalten und Fehler nicht eingestehen
    Fehler einzugestehen und Kritik von Mitarbeitern anzunehmen wird oft als Führungsschwäche ausgelegt. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Wahre Größe und Kompetenz beweist, wer offen für berechtigte Kritik ist und gegebenenfalls eine Entscheidung rückgängig macht. So gewinnt man als Vorgesetzter Glaubwürdigkeit und Vertrauen.
  6. Falle 6: Konflikten aus dem Weg gehen
    Harmoniebedürftige Führungskräfte sind meist auch konfliktscheu. Sie hoffen insgeheim, dass sich Probleme von selbst lösen, und sprechen Missstände oft viel zu spät an. Ob Fehlverhalten von Mitarbeitern oder Konflikte im Team – Sie sollten Erwartungen frühzeitig nennen, immer konstruktives Feedback geben und rechtzeitig nachsteuern. Klarheit in der Führung ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Und Klarheit und Freundlichkeit schließen sich nicht aus.
  7. Falle 7: Immer eine offene Tür haben
    Eine Aussage wie “Sie können jederzeit zu mir kommen” ist fatal. Der Grund: Ungeplante Gespräche bringen den Tagesablauf durcheinander und reißen die Führungskraft bei ihrer jeweiligen Aufgabe aus der Konzentration. Soll heißen: Führen “zwischendurch” ist nicht ratsam. Nehmen Sie sich nach Abstimmung ungeteilte Zeit für Mitarbeitergespräche.
  8. Falle 8: Experten im Fachwissen übertreffen wollen
    Es ist ein Trugschluss, als Führungskraft zu glauben, auf jede fachliche Frage eine Antwort haben zu müssen oder jedes Problem lösen zu können. Dafür sind die Fachleute zuständig, nämlich die Mitarbeiter mit ihrem entsprechenden Fachwissen. Der Job des Vorgesetzten ist primär, Führungs- und Steuerungsaufgaben wahrzunehmen. Wer sich als Chef dennoch dafür verantwortlich fühlt, wird schnell zum “Obersachbearbeiter”. Tipp: Delegieren Sie, damit Sie Freiräume gewinnen und Ihre Ziele erreichen.

Führungstandems bergen zwei Vorteile:

  1. Zum einen scheuen sich viele potenzielle Führungskräfte davor, die alleinige Verantwortung in leitender Position zu übernehmen. Gerade bei jüngeren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern scheint dieses Phänomen sogar immer mehr zuzunehmen, schenkt man verschiedenen Studien Glauben. Demnach muss für viele junge Menschen beruflicher Erfolg nicht zwingend mit der Übernahme von Führungsverantwortung zusammenhängen – und Führungspositionen werden stattdessen gemieden. Wenn Unternehmen also auch in Zukunft Führung wieder attraktiver machen wollen, muss ein Umdenken stattfinden. Verantwortung auf Doppelspitzen aufzuteilen, kann hier zumindest einen Teil dazu beitragen, den potenziellen Bewerberkreis für eine Position zu vergrößern.

  2. Zum anderen bieten Führungstandems auch für das Team einen großen Mehrwert. So gibt es etwa gleich zwei Ansprechpartner, an die sich Mitarbeitende mit ihren Fragen und Problemen wenden können.

Als Bereicherung empfinden auch Anne-Marie-Kilpert und Matthias Berg ihre Doppelspitze. Gemeinsam leiten sie seit rund eineinhalb Jahren die Abteilung Smart City Design am Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE. Beide haben dabei eine Vollzeitstelle inne. Obwohl sie sich vor ihrer gemeinsamen Leitungsposition nicht kannten, hat die Zusammenarbeit im Tandem von Beginn an gut funktioniert – alles andere als eine Selbstverständlichkeit.

 

Anne-Marie Kilpert leitet im Führungstandem die Abteilung Smart City Design am Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE.

Foto: Kilpert – Fraunhofer IESE

Um so mehr lohnt sich deshalb auch der Blick hinter die Kulissen. Denn es stellt sich die Frage: Welche Kriterien sind entscheidend dafür, damit Doppelspitzen tatsächlich den erhofften Mehrwert bieten? Kilpert und Berg nennen hier die wichtigsten Tipps:

  • Deep Dive gleich zu Beginn: Gerade wenn sich die beiden Führungspartner vorab noch nicht kennen, lohnt sich ein offener und reflektierter Austausch vorab. Wer ist in was besonders stark? Wo liegen die individuellen Schwächen? Das schafft Vertrauen und eine wichtige Basis für die folgende Zusammenarbeit.

  • Alles auf den Prüfstand: Zumindest in der Anfangsphase kann ein regelmäßiger Austausch unter vier Augen helfen, die Arbeitsaufteilung kontinuierlich zu optimieren. Egal, wie gut die Aufgabenplanung vorab ist, muss sie sich erst in der Praxis beweisen. Hier hilft es, genügend Flexibilität an den Tag zu legen und die ein oder andere Einteilung richtig nachzujustieren.

  • Mit einer Sprache sprechen: Gerade vor dem Team ist es wichtig, in relevanten Angelegenheiten als Team aufzutreten, das sich wechselseitig unterstützt. Selbst wenn bei einem Entscheidungsprozess innerhalb der Doppelspitze Uneinigkeit herrscht, sollte das nicht ans Team weitergetragen werden. Das schafft ansonsten nur Verwirrung und schwächt die Position der Doppelspitze.

  • Kein Ego-Trip! Es ist eine Floskel, aber sie stimmt: Führen will gelernt sein. Und Führen im Tandem will erst recht gelernt sein. Nur wer echtes Teamplay beherrscht, ist auch in der Doppelspitze erfolgreich. Wichtige Faktoren dafür sind Verständnis und Empathie sowie Kompromissbereitschaft. Weil die eine Hälfte der Doppelspitze Arbeiten beispielsweise anders erledigt, muss die Herangehensweise nicht gleich schlechter sein.

  • Beide machen alles – das funktioniert nicht. Zum einen ist es völlig ineffizient, Aufgaben doppelt zu erledigen. Zum anderen leiden auch die Mitarbeitenden im Team darunter, wenn es in den Doppelspitzen keine klare Aufgabenteilung gibt. Schließlich bleibt dann auch unklar, an wen von beiden man sich mit einem Anliegen wenden kann. Um das zu vermeiden, sollten Zuständigkeitsbereiche so klar wie möglich abgesteckt und dann auch an das Team kommuniziert werden.

  • Zu viel Rücksprache halten: Ja, auch ein zu viel an Absprache kann hinderlich sein. Nämlich vor allem dann, wenn Entscheidungen deshalb blockiert werden. Das heißt: Wichtige und übergreifende Entscheidungen sollten gemeinsam in der Doppelspitze getroffen werden. Ansonsten haben beide Führungskräfte einen jeweiligen Zuständigkeitsbereich, in dem sie auch allein Entscheidungen treffen können – und sollen. (pg)

 

Matthias Berg bildet gemeinsam mit Anne-Marie Kilpert die verantwortliche Doppelspitze der Abteilung Smart City Design am Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE.

Foto: Berg – Fraunhofer IESE

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