Was Sie über Halbleiter wissen müssen

Halbleiter sind grundlegende Bausteine unseres modernen Lebens. Die Digitalisierung wäre ohne sie nicht möglich. Auch die Dekarbonisierung unserer Wirtschaft hängt grundlegend von Halbleitern zur Wandlung, Übertragung und Steuerung der elektrischen Energie ab. Es überrascht daher nicht, dass die Halbleitertechnologie in den Mittelpunkt der internationalen Politik gerückt ist. Die Diskussionen drehen sich darum, die eigenen technologischen Führungsrollen zu stärken und die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit zu erhöhen.

Um Halbleiter und die zugrunde liegende Hightech-Industrie besser zu verstehen, hat die Infineon Technologies AG den “Semiconductor Tree” entwickelt. Anhand des Schaubilds eines Halbleiterbaums lassen sich Entwicklungen und Zusammenhänge gut erläutern. Schließlich geht es hier um das vielleicht höchstentwickelte Hightech-Produkt, die anspruchsvollste Fertigung und eine der komplexesten Wertschöpfungsketten, die die Welt je gesehen hat.

Die Entwicklung der Halbleiter.

Foto: Infineon Technologies AG

Im Grunde genommen ist ein Halbleiter genau das, was das Wort besagt: “ein Halb-Leiter.” Unter bestimmten Bedingungen leitet er elektrischen Strom, unter anderen Bedingungen nicht. “Bedingungen” können verschiedene Dinge sein: das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von Licht (ein optischer Bildsensor), Schall (ein Mikrofon) oder – was am wichtigsten ist – elektrische Spannung (ein elektrischer Schalter). Der elektrische Schalter, der Transistor, bildet die Grundlage des Großteils der Halbleiterwelt.

Der erste, einzelne Transistor wurde 1947 von einem Forscherteam der AT&T Bell Labs vorgestellt. Dem folgte eine jahrzehntelange, exponentielle Miniaturisierung. Heute sind wir bei Mikroprozessoren angelangt, die Milliarden von Transistoren enthalten und deren Strukturen viel kleiner sind als die Wellenlänge des sichtbaren Lichts.

Bevor wir dazu kommen, gilt es jedoch eine wichtige Unterscheidung zu treffen: Eine Triebkraft in der Entwicklung der Halbleitertechnologie richtete sich auf die Optimierung der Leistungsfähigkeit des einzelnen Transistors, eine andere auf dessen Standardisierung und Miniaturisierung. Die Optimierung der Leistungsfähigkeit eines einzelnen Schalters kann vor allem in zwei Richtungen erfolgen: schnelleres Schalten und Schalten von immer höheren elektrischen Leistungen.

Der letztgenannte Zweig (im Baum der untere rechte Teil) ist als “Leistungshalbleiter” bekannt. Leistungshalbleiter sind in der Regel nicht hochintegriert, das heißt es werden, anders als in klassischen Computerchips, nicht viele Schaltungen auf kleinstem Raum zusammengepackt. Allerdings erfordert die Entwicklung und Herstellung von Leistungshalbleitern mit höchster Performance eine ausgefeilte Kontrolle der zugrunde liegenden Technologien und Prozesse.

Auch die Materialien, die zur Herstellung eines Leistungshalbleiters verwendet werden, haben sich weiterentwickelt: Während einfache, kostenoptimierte Bauelemente immer noch aus Silizium hergestellt werden, erfordern fortschrittlichere, energieeffizientere Bauelemente neue Materialien (so genannte Wide-Band-Gap-Materialien) wie Siliziumkarbid und Galliumnitrid.

Warum ist das wichtig? Da das Wirtschaften weltweit angesichts des Klimawandels immer stärker unter dem Blickwinkel der Dekarbonisierung betrachtet wird, werden zunehmend mehr Geräte elektrisch betrieben: Ein Leistungshalbleiter, der drei Prozent effizienter ist, kann zum Beispiel ein Elektroauto drei Prozent weiter fahren lassen, ein batteriebetriebenes Werkzeug drei Prozent länger laufen lassen oder drei Prozent Energie einsparen.

Um bei der Herstellung von Leistungshalbleitern erfolgreich zu sein, müssen sowohl das Design der einzelnen Bauelemente als auch die Produktionsprozesse und -technologien im Detail verstanden werden. Dies führt zu einer Branchenstruktur, bei der führende Unternehmen einen Großteil der Wertschöpfungskette unter ihrem eigenen Dach kontrollieren: die sogenannten Integrated Device Manufacturer (IDM), zu denen auch Infineon gehört. Europa nimmt eine führende Position im Bereich der Leistungshalbleiter ein, was in der Öffentlichkeit zwar nicht immer bekannt, aber wichtig ist, wenn wir über Technologieführerschaft, wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit und globale Abhängigkeiten sprechen.

Ein anderer Weg zur Optimierung des einfachen Transistors bestand darin, ihn so weit wie möglich zu standardisieren, ihn zu verkleinern und so viele Schaltungen wie möglich so dicht wie möglich zu verpacken: Dies führte zur Weiterentwicklung anderer Zweige unseres Baums – Speicher und Mikrocontroller/Mikroprozessoren.

Schon lange vor der Erfindung des Halbleitertransistors war bekannt, dass sich Schalter zu logischen Schaltkreisen kombinieren lassen. Werden genügend dieser Schaltungen miteinander verbunden, kann man Computer bauen: Der Wettlauf um die Verkleinerung der Transistoren und die Integration möglichst vieler von ihnen in einen Integrierten Schaltkreis, dem Integrated Circuit (IC), war schon vor der Erfindung des Transistors vorprogrammiert.

Basierend auf der exponentiell verlaufenden Roadmap hin zu immer kleineren Transistoren, dem Moore'schen Gesetz (die Beobachtung, dass sich die Anzahl der Transistoren in einem integrierten Schaltkreis etwa alle zwei Jahre verdoppelt), stellen modernste Fabriken heute Bauteile mit Strukturbreiten von drei Nanometern (nm) her. Zum Vergleich: Das Spike-Protein des COVID-Virus ist etwa zehn Nanometer lang, und wenn man zwei Goldatome nebeneinander anordnet, benötigt man etwa einen Nanometer.

Für die Herstellung von Strukturen dieser Größen kann sichtbares Licht nicht mehr verwendet werden: Sichtbares Licht hat eine Wellenlänge zwischen 380 und 700 nm, und die Physik schreibt vor, dass die Mindestauflösung eines optischen Systems in der Größenordnung der Wellenlänge des Lichts liegt. Die Herstellung von Strukturen einer Größe weniger Nanometer erfordert extrem kurzwelliges ultraviolettes Licht. Die Maschinen, die zur Verarbeitung dieser Art von Halbleitern verwendet werden, sind die komplexesten Maschinen, die je von Menschen hergestellt wurden.

Je kleiner die Strukturen, desto teurer wird die Entwicklung von Halbleitern.

Foto: Infineon Technologies AG

Die Herstellung dieser Art von Halbleitern ist daher sehr teuer. Damit sie sich wirtschaftlich lohnt, sind große Mengenvorteile von entscheidender Bedeutung – sprich, die Skalierung muss stimmen. Die Hersteller müssen also eine möglichst große Anzahl desselben Bauelements herstellen und möglichst viele von diesen in einem Schritt verarbeiten können. Aus der ersten Beobachtung folgt, dass ICs, die in den kleinsten Knotenpunkten hergestellt werden, nur dann wirtschaftlich lukrativ sind, wenn sie in großen Stückzahlen produziert werden (zum Beispiel für Smartphones). Die zweite Beobachtung – möglichst viele ICs in einem Schritt zu verarbeiten – führte zu immer größeren Wafer-Durchmessern: zwei, vier, sechs, acht und derzeit zwölf Zoll (300 mm).

Aus wirtschaftlicher Sicht begünstigen Mengenvorteile immer größere, spezialisierte Hersteller. In Verbindung mit dem hohen Standardisierungsgrad führte dies zu einer Arbeitsteilung in der IC-Industrie:

  • Fabless-Halbleiterdesign-Unternehmen, die die Produktion vollständig auslagern, sind wesentlich weniger kapitalintensiv: Die Fabless-Unternehmen konzentrieren sich ausschließlich auf das Design von Halbleitern, die dann nach standardisierten Anweisungen an die Foundries – Unternehmen, die sich auf die Produktion spezialisiert haben – zur Fertigung übergeben werden.
  • Die Foundries konzentrieren sich hingegen auf die Herstellung hochintegrierter Halbleiter-Produkte. Größenvorteile begünstigen die Konzentration. Die größten Foundries bilden riesige Produktionscluster. Zu den größten zählt die Semiconductor Manufacturing Company in Taiwan (TSMC). Dank des visionären Gründers von TSMC, der Unterstützung durch die taiwanesische Regierung und der Größenvorteile werden aktuell 90 Prozent der Sub-10nm-Halbleiter in Taiwan hergestellt – mit oft diskutierten geopolitischen Risiken, und Investitionsprogrammen von Regierungen weltweit, um eine Diversifizierung zu fördern.

Je nach Anwendungsbereich geht es um eine Kombination verschiedener Halbleiterfaktoren.

Foto: Infineon Technologies AG

Bevor wir auf den “Semiconducter Tree” zurückkommen, noch ein Wort zu den Auswirkungen, die die Verkleinerung auf verschiedene Bauelemente hat: Bisher haben wir über ICs mit immer kleiner werdenden Strukturbreiten und Leistungshalbleiter gesprochen, bei denen die Entwicklung hin zu neuen Materialien (Siliziumkarbid, Galliumnitrid) stattfindet. In der Praxis müssen, gerade bei Integrierten Schaltkreisen, jedoch um eine Vielzahl von Halbleiterbauelementen, die verschiedene Eigenschaften haben, kombiniert werde: Rechenleistung, Sensorik, Leistungssteuerung und Speicher.

Zurück zum Halbleiterbaum: Als Nächstes kommen die Speicher-Halbleiter, die konzeptionell einfach zu verstehen sind: Sie ermöglichen das Speichern und Auslesen von Informationen in Form von elektrischen Signalen (0 und 1). Je nachdem, ob für die Speicherung eine konstante elektrische Energiequelle im Hintergrund erforderlich ist oder ob die Informationen auch ohne Energieversorgung erhalten bleiben, wird der Speicher als flüchtig oder nicht flüchtig eingestuft. Die Größen von Halbleiterspeichern schrumpfen mit einer Geschwindigkeit, die nur geringfügig unter der von Mikroprozessoren liegt.

In den vergangenen Jahren konzentrierte sich der Großteil der öffentlichen Aufmerksamkeit auf Mikroprozessoren – immer kleiner und immer mehr Leistung. Ein Geschäftsmodell auf dieser Verkleinerungskurve ist allerdings nur im Bereich von extrem hohen Stückzahlen wirtschaftlich attraktiv. Außerdem richten sich die Designanforderungen auf höchste Leistung bei geringstem Stromverbrauch.

Ein Großteil der Mikrocontroller, die unser tägliches Leben steuern, von Waschmaschinen über Autos und Flugzeuge bis hin zu industriellen Steuerungssystemen, wird in Zukunft in Größen von 22 bis 40 nm hergestellt. Mikrocontroller und Geräte in diesem Bereich sind für unterschiedliche Anforderungen optimiert, zum Beispiel für eine hohe Sicherheit und Zuverlässigkeit oder für geringen Stromverbrauch. Viele Anwendungen, zum Beispiel in der Automobilindustrie, sind auf solche Mikrocontroller angewiesen. Europäische Unternehmen spielen in dieser Branche eine entscheidende Rolle.

Etwas weiter links in unserem Baum befindet sich der Zweig mit der Bezeichnung “Analog/Mixed Signal.” Diese Halbleiter sind die Schnittstelle zwischen unserer realen Welt, die mit analogen Signalen arbeitet, und der digitalen Welt. Die Geräte, deren Herzstück häufig Mikrocontroller sind, wurden so optimiert, dass sie auch analoge elektrische Signale verarbeiten können. Bei diesen analogen elektrischen Signalen handelt es sich beispielsweise um elektromagnetische Wellen, was die Klasse der Hochfrequenz-Halbleiter charakterisiert: WiFi, Bluetooth oder Radarchips für autonom fahrende Autos, aber auch militärische Anwendungen, gehören in diese Kategorie.

Wenn wir uns noch weiter nach links bewegen, sehen wir das breite und vielfältige Feld der (Halbleiter-)Sensoren: Temperatur, Magnetfelder, Gas, Druck etc. sind ihr Mess-Metier. Die Zahl der physikalischen Effekte, die Halbleiter erfassen und in elektrische Signale umwandeln können, ist beeindruckend. Bestes Beispiel das Smartphone: Mikrofon, Kamera, Temperatur und Positionsbestimmung – alles ohne Halbleiter nicht vorstellbar. Und nicht zuletzt strahlen optische Halbleiter Licht aus: der weite Bereich der Licht-Emittierenden Dioden (LED)s – auch Dioden sind Halbleiter. Mittlerweile sind LEDs weltweiter Standard für effiziente Beleuchtung.

Die Welt der Halbleiter ist groß und vielfältig: Leistungshalbleiter, Sensoren, Mikrocontroller und -prozessoren, Chips in allen Facetten sowie viele weitere Kategorien in unserem “Semiconductor Tree” beruhen auf enormen Forschungsanstrengungen und Know-how. Sie haben spezialisierte Industrien hervorgebracht, die die einzigartigen Eigenschaften ihrer Produkte widerspiegeln – und alle basieren auf dem elektrischen Transistorschalter von 1947, der sich immer weiterentwickelt und differenziert, vom Stamm über die Zweige hin zu den Blättern.

Auch in der öffentlichen Debatte rückt das Thema immer mehr in den Vordergrund. Halbleiter sind ein wesentlicher Bestandteil unseres persönlichen Lebens, unserer modernen Gesellschaft und unserer Wirtschaft. Mit Megatrends wie der Digitalisierung und der dringenden Notwendigkeit, die Wirtschaft zu dekarbonisieren werden sie auch in Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen. (ba)

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