„Mögliche Risiken identifizieren“



ITD: Herr Plapperer, wie war es in den vergangenen zwei, drei Jahren um die Transportlogistik der hiesigen Unternehmen bestellt – gerade im Hinblick auf die aktuellen Krisen (globale Pandemie, geopolitische Konflikte, Fachkräftemangel, Inflation …)?
Plapperer: Die globale Pandemie, geopolitische Spannungen, Fachkräftemangel und Inflation haben Unternehmen vor nie dagewesene Herausforderungen rund um die Themen „Transportlogistik“ und „Lieferkette“ gestellt. Die multiplen Krisen hatten jedoch gleichzeitig eine enorme Katalysatorwirkung in Bezug auf die Digitalisierung von Prozessen und ganzer Unternehmen. Denn um die vielfältigen Krisen der letzten Jahre zu meistern, sind deutlich effektivere Kommunikations- und Reaktionsfähigkeiten entlang der Lieferketten unabdingbar. Der ineffiziente und fehleranfällige Austausch von E-Mails oder (teils gar analogen) Dokumenten liegt immer weniger im Rahmen des ökonomisch leistbaren.

ITD: Welche Branchen hatten es zuletzt besonders schwer, mussten mit stockenden oder gar stillstehenden Lieferketten kämpfen?
Plapperer: Die Einschränkungen von Lieferketten haben insbesondere Branchen beeinträchtigt, die stark vom internationalen Handel abhängig sind, wie die Automobilindustrie, die Luftfahrtindustrie und die Elektronikbranche. Auch die Mode- und Textilindustrie sowie die Lebensmittelindustrie hatten mit stockenden oder gar stillstehenden Lieferketten zu kämpfen, da viele Fabriken aufgrund von Schließungen oder Unterbrechungen der Produktion nicht arbeiten konnten.

ITD: Welchen Stellenwert haben bereits Nachhaltigkeit und Transparenz in den Supply Chains deutscher Großunternehmen?
Plapperer: Nachhaltigkeit und Transparenz gewinnen in den Lieferketten deutscher Großunternehmen zunehmend an Bedeutung. Viele Unternehmen haben erkannt, dass nachhaltige Geschäftspraktiken nicht nur ethisch korrekt, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll sind. Sie setzen daher verstärkt auf Maßnahmen wie die Reduzierung von Treibhausgasemissionen, den Einsatz erneuerbarer Energien, die Vermeidung von Abfällen und die Förderung von sozialer Gerechtigkeit. In den letzten Jahren hat sich eine Gruppe an Start-ups mit hoch relevanten Technologien entwickelt, die dabei helfen, den neuen Anforderungen effektiv zu begegnen.

ITD: Was macht für Sie eine nachhaltige Lieferkette aus?
Plapperer: Eine nachhaltige Lieferkette umfasst Geschäftspraktiken, die die Umwelt schonen, die soziale Gerechtigkeit fördern und wirtschaftlich sinnvoll sind. Eine nachhaltige Lieferkette berücksichtigt die gesamte Wertschöpfungskette – von der Beschaffung von Rohstoffen. über die Produktion bis hin zur Entsorgung von Produkten. Eine nachhaltige Lieferkette trägt dazu bei, die Umweltbelastung und soziale Ungerechtigkeiten zu reduzieren und das Vertrauen der Kunden und Stakeholder in ein Unternehmen zu stärken.

ITD: Was sind die großen Herausforderungen und Stolpersteine für Unternehmen, um dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz gerecht zu werden?
Plapperer: Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz stellt Unternehmen vor große Herausforderungen, da es die Überwachung der Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards in komplexen Lieferketten erfordert. Viele Unternehmen haben begrenzte Ressourcen und Kapazitäten und müssen selbst entscheiden, welche Standards sie anwenden und welche Maßnahmen sie ergreifen. Zudem besteht eine gewisse Rechtsunsicherheit und Haftungsrisiken für Verstöße in den Lieferketten. Um das LkSG umzusetzen, müssen Unternehmen daher ihre Lieferketten sorgfältig überwachen und mögliche Risiken identifizieren, um Verstöße gegen Standards zu vermeiden.

ITD: Welche innovativen IT-Lösungen und Software-Tools können bei der Einhaltung des Gesetzes unterstützen und die Leistungsfähigkeit der Lieferketten steigern?
Plapperer: Es gibt eine Reihe an Lösungen aus der Start-up-Welt (wie beispielsweise Prewave oder Riskmethods), welche mithilfe der intelligenten Nutzung von Daten und Automatisierungs-Workflows dabei helfen, den jeweiligen Herausforderungen zu begegnen. Angesichts von Gesetzen wie diesem möchte man fast meinen, dass der Regulator ein Konjunkturprogramm für die Innovationswirtschaft aufgelegt hat.

 

ITD: Inwieweit kann Künstliche Intelligenz (KI) an dieser Stelle aushelfen und welche Rolle spielen Daten für die Effizienz in der Lieferkette?
Plapperer: Echtzeitdaten über den Zustand von Produkten und Prozessen können zur Optimierung der Lieferkette genutzt werden, um Engpässe zu vermeiden und die Transparenz und Rückverfolgbarkeit von Produkten zu verbessern. Der Einsatz von KI und Daten kann auch dazu beitragen, den Material- und Energieverbrauch zu optimieren und somit Umweltauswirkungen zu reduzieren. Insgesamt können KI und Daten dazu beitragen, die Lieferketten sorgfältiger zu überwachen und die Einhaltung von Standards sicherzustellen.

ITD: Was sind weitere Schlüsseltechnologien sowie zukünftige Innovationsschwerpunkte für resiliente Lieferketten?
Plapperer: Zukünftige Innovationsschwerpunkte für resiliente Lieferketten könnten u.a. die Stärkung der lokalen Produktion und der regionalen Lieferketten, die Implementierung von 3D-Drucktechnologien sowie die Nutzung von autonomen Transport- und Lieferungssystemen sein. Eine weitere wichtige Innovation könnte die Nutzung erneuerbarer Energien und die Umstellung auf kohlenstoffarme Prozesse in der Lieferkette sein. Es gibt ein weites Spektrum an Start-ups in Europa, welche sich mit eben diesen Themen auseinandersetzen – einige Beispiele hierfür sind die Unternehmen Partscloud (Optimierung der Logistik im industriellen Ersatzteilegeschäft), Keelvar (autonome Sourcing Bots, welche die Reaktionsfähigkeit von Einkaufsprozessen entlang der Lieferkette beschleunigen) oder Carbmee (System zur Bemessung und Reduzierung von Scope-3-Emissionen im Einkauf).

Bildquelle: Squareone

 

 

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Cloud Computing & Low Code für bessere Lieferketten