„Eine Herausforderung ist das Thema ,digitale Souveränität’“



ITD: Herr Klingholz, wenn ein Unternehmen keine ausreichende Transparenz oder Kontrolle über die Cloud-Computing-Ressourcen hat, droht Wildwuchs. Welche Maßnahmen sind hilfreich, um das zu verhindern?
Klingholz: Wenn ein Unternehmen seine Cloud-Computing-Ressourcen nicht ausreichend transparent oder kontrolliert einsetzt, kann es zu unkontrolliertem Wachstum kommen. Um dies zu verhindern, sind zwei Maßnahmen sinnvoll. Zum einen die Einrichtung eines „Cloud Center of Excellence (CCoE)“. Das CCoE ist eine spezielle Gruppe innerhalb des Unternehmens, die sich darauf spezialisiert hat, die Aktivitäten in der Cloud zu steuern und zu kontrollieren. So kann die Organisation ihre Cloud-Aktivitäten besser verwalten und organisieren. Zum anderen braucht das Unternehmen eine finanzielle Betriebsoptimierung (FinOps). Dabei geht es um eine kulturelle Praxis, die sich auf die Kostenkontrolle und -optimierung konzentriert. Durch FinOps kann ein Unternehmen sicherstellen, dass es das Beste aus seiner Investition in verschiedene Cloud-Dienste herausholt und nicht mehr ausgibt, als notwendig.

ITD: Welche Gründe führen am häufigsten dazu, dass Cloud-Projekte scheitern?
Klingholz: Es gibt sicher verschiedene Gründe, die zum Scheitern von Cloud-Projekten führen können. Zwei kommen aber leider immer noch ziemlich häufig vor. Zum einen sind es unrealistische Ziele und Vorstellungen. Unternehmen haben teilweise Erwartungen an Leistung oder Kosten eines Cloud-Projekts, die einfach nichts mit der Realität zu tun haben. Das ist als würde man eine Reise von Berlin nach New York planen und unbedingt in zwei Stunden am Ziel sein wollen – das ist nicht zu schaffen, egal wie man es angeht. Deshalb gilt für Cloud-Projekte, sich erreichbare und realistische Ziele zu setzen. Zum anderen führt ein Mangel an Ressourcen häufig zum Scheitern von Cloud-Projekten. Das betrifft sowohl das Unternehmen, welches das Cloud-Projekt umsetzt, als auch mögliche Partnerunternehmen. Bei Cloud-Projekten gilt wie für alle anderen Projekte: Wenn nicht genügend Ressourcen vorhanden sind – sei es in Form von technischer Expertise, Personal oder finanziellen Mitteln – kann das Projekt ins Stocken geraten oder ganz scheitern.

ITD: Laut einer aktuellen Bitkom-Studie herrscht auch beim Thema „Nachhaltigkeit“ in puncto Cloud noch einige Verunsicherung. So beklagen etwa 48 Prozent der Unternehmen, dass der Energie- und Ressourcenverbrauch beim Cloud Computing zu intransparent ist. Wie ließe sich hier mehr Klarheit schaffen?
Klingholz: Nachhaltigkeit ist ein Top-Thema in der Welt der Cloud-Technologie. Ein Weg, um Verunsicherung bei diesem Thema abzubauen und für mehr Klarheit zu sorgen, ist das Konzept des GreenOps. Dabei geht es um die Steuerung der Nachhaltigkeit von Cloud-Aktivitäten. Man kann GreenOps wie eine Art interne „Umweltaufsicht“ für die Cloud verstehen. Es geht darum, die Cloud-Nutzung so umweltfreundlich wie möglich zu gestalten, indem der Energie- und Ressourcenverbrauch minimiert wird. Eine Herausforderung dabei ist, dass verschiedene Cloud-Anbieter unterschiedliche Metriken zur Messung der Nachhaltigkeit verwenden und direkte Vergleiche derzeit dadurch schwerfallen. Es ist jedoch zu erwarten, dass sich in diesem Bereich in der nächsten Zeit einiges entwickeln wird. Wie in vielen anderen Technologiebereichen auch werden sich Standards (de facto Standards und harmonisierte Standards) durchsetzen, die eine klarere und einheitlichere Messung der Nachhaltigkeit ermöglichen.

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ITD: Wo wir gerade beim Thema „Effizienz“ sind: Wie lässt sich sicherstellen, dass Cloud-Implementierungen nicht überdimensioniert sind oder Ressourcen verschwendet werden?
Klingholz: Zwei ganz entscheidende Faktoren dafür sind FinOps und das Cloud Center of Excellence. Ein dritter Faktor ist die Sensibilisierung der Mitarbeiter, insbesondere diejenigen, die direkt mit der Cloud arbeiten. Es ist wichtig, dass alle Beschäftigten – ob sie nun in der Entwicklung oder im Betrieb tätig sind – verstehen, wie sie die Cloud effizient nutzen können. Dazu braucht es Schulungen und andere Weiterbildungen. Wir müssen lernen, die Cloud effizient zu verwenden, so wie wir selbstverständlich das Licht ausschalten oder die Heizung runterdrehen, wenn niemand zu Hause ist. Schließlich kann auch Gamification einen Beitrag leisten. Gamification bedeutet, dass man spielerische Elemente in nicht spielbezogene Bereiche einbringt, um die Motivation und das Engagement zu erhöhen. In Bezug auf die Cloud könnte dies bedeuten, dass Mitarbeiter belohnt werden, wenn sie ihre Cloud-Nutzung effizient gestalten.

ITD: Inwieweit haben Großunternehmen und Konzerne in Deutschland den wirtschaftlichen Nutzen der Cloud erkannt? Wo stoßen sie noch auf Hindernisse?
Klingholz: Am wirtschaftlichen Nutzen von Cloud-Lösungen zweifelt heute eigentlich niemand mehr. Großunternehmen und Konzerne setzen mit Multi Cloud und Hybrid Cloud vor allem auf eine Mischung aus verschiedenen Cloud-Modellen. Multi Cloud bezieht sich auf die Nutzung von Cloud-Services mehrerer Anbieter. Dadurch erhöhet sich die Ausfallsicherheit, kann aber auch dazu beitragen, die Leistung zu maximieren. Die Hybrid Cloud hingegen bezieht sich auf die Kombination von öffentlichen Cloud-Diensten und privaten Cloud-Infrastrukturen, sowie traditionellen On-Premise-Systemen. Dadurch hat das Unternehmen die Möglichkeit, für verschiedene Szenarien die Lösung zu wählen, die am effizientesten ist. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Nutzung von Cloud-nativen Technologien über das gesamte Spektrum dieser verschiedenen Modelle hinweg und deren effiziente Orchestrierung und Steuerung. Eine Herausforderung ist das Thema „digitale Souveränität“. Die Hybrid-Cloud-Strategie kann eine Antwort auf diese Bedenken sein, da sie es Unternehmen ermöglicht, einige Daten und Anwendungen in einer privaten Cloud oder On-Premise zu behalten, während andere Dienste in der Public Cloud genutzt werden.

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ITD: Künstliche Intelligenz wird inzwischen als wichtigste Zukunftstechnologie angesehen. Welche Rolle spielt die Cloud bzw. spielen Cloud-Anbieter in diesem Kontext?
Klingholz: Die wenigsten Unternehmen verfügen über die notwendige leistungsfähige Hardware, um KI-Anwendungen selbst On-Premise laufen zu lassen – und teilweise ist die Hardware aktuell auch nur schwer oder gar nicht verfügbar. Dank der Cloud gibt es aber einen technisch und organisatorisch niedrigschwelligen Zugang zu aktuellsten KI-Lösungen. Viele Cloud-Anbieter bieten spezielle Dienste an, die es auch Unternehmen ohne KI-Know-how ermöglichen, von den Vorteilen der KI zu profitieren. Sie können beispielsweise vortrainierte Modelle für Aufgaben wie Bilderkennung, Spracherkennung oder Vorhersageanalysen nutzen. Davon profitieren insbesondere auch kleine und mittelständische Unternehmen, die ansonsten von dieser Technologie weitgehend abgeschnitten wären.

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