Mainframe-Modernisierung: Großrechner im Cloud-Visier

Im Fall des Mainframes scheint das Mooresche Gesetz, wonach sich Zahl der Schaltkreise in einem Chip alle zwei Jahre verdoppelt, während sich die Kosten halbieren, außer Kraft gesetzt: In der Welt der Großrechner wird die Datenverarbeitung immer teurer – auch und vor allem, weil die Kunden keine anderen Möglichkeiten hatten. Bis jetzt.

Nachdem Mainframe-Anwendungen jahrelang weitgehend ignoriert wurden, hat nun die Cloud-Unterwanderung der letzten Vendor-Lock-in-Bastion begonnen. So hat etwa FedEx angekündigt, bis 2024 seine Rechenzentren (und die zugehörigen Mainframes) einstampfen zu wollen, um voll und ganz auf die Cloud zu setzen. Wenn sich die bisherigen Kaufgewohnheiten fortsetzen, wird das Unternehmen auf Azure wechseln. Neben einer erwarteten, höheren Agilität verspricht sich FedEx davon auch Einsparungen in Höhe von 400 Millionen Dollar.

FedEx ist kein Einzelfall, in immer mehr Unternehmen steht eine Entscheidung dieser Art an – was auch bedeutet, dass die Cloud-Anbieter gefragt sind, wenn es darum geht, bei der Verlagerung von Mainframe-Workloads zu unterstützen. Dabei geht es im Grunde darum, die Cloud für IT-Entscheider zu einer unglaublich langweiligen, aber auch sicheren Entscheidung zu machen.

  1. Kai Waehner, Field CTO bei Confluent
    “Eine der größten Herausforderungen ist sicherlich, damit anzufangen und dabei zu wissen, dass Legacy Modernisierung ein schrittweiser Prozess ist und ein ‚Big Bang‘ nicht funktionieren wird. Viele unserer Kunden setzen auf eine Daten-Streaming-Architektur bei der Modernisierung aber beginnen mit kleinen Use Cases, um das Paradigma zu verstehen. Nach und nach werden dann mehr Anwendungsfälle auf die Streaming-Plattform gehoben, bis auch abteilungsübergreifend Daten in Bewegung genutzt werden können. Allerdings ist es auch hier essenziell, dass IT- und Fachabteilungen gleichermaßen abgeholt werden und den Mehrwert der Modernisierung verstehen und mittragen, um schnellstmöglich Mehrwerte zu schaffen, Risiken zu minimieren und letztlich den Umsatz zu steigern.”<br /><br />”Dank der gut aufgestellten Marketplaces der großen Cloud-Vendoren, kann schnell ein Best-of-Breed-Stack aufgesetzt werden, ein erheblicher Vorteil gegenüber langwieriger Implementierungszyklen.”
  2. Heidi Schmidt, Managing Director (CEO) bei PKS Software
    “Grundsätzlich sollten Firmen ihre technischen und fachlichen Gegebenheiten genau analysieren, um zu sehen, was technisch wirklich erforderlich ist. Shit-in führt zu Shit-out, zumal der Ausbau technischer Altlasten oft mit hohen Invests verbunden ist. Daher ist die Bereinigung von Systemen in der Modernisierung der allererste Schritt, der nach wie vor häufig vergessen wird. Und: Bei den vielen Diskussionen über Technik, Features und Funktionen wird oft der Faktor Mensch vergessen. Notwendig sind Teamworkshops und das Herausarbeiten von unterschiedlichen Werten aller Beteiligten, um eine logische von allen unterstützte Lösung zu finden. Zudem sollten Firmen jungen Menschen das Thema „Legacy-Modernisierung“ als Mega-Chance für Nachhaltigkeit in der IT vermitteln.”<br /><br /> “Cloud Computing spielt bei der Modernisierung eine Rolle unter vielen, aber nicht die wirklich entscheidende.”
  3. Jan Hachenberger, Head of Performance Strategy bei TIMETOACT Software & Consulting
    “Eine Legacy-Modernisierung ist fast immer ein Großprojekt, und viele Unternehmen gehen das Thema daher zögerlich an. So setzt es eine detaillierte Dokumentation aller Abhängigkeiten zwischen Legacy- und Umsystemen voraus, die oftmals umfänglich aktualisiert werden muss. Ressourcenengpässe – seien es fehlende Entwicklerkompetenzen oder fehlendes Budget – sind weitere Herausforderungen, denen es sich in diesem Kontext zu stellen gilt.”<br /><br /> “Die Cloud ist Enabler und technologische Basis für Betriebsmodelle mit weniger umfangreichem TCO. Sie bietet höhere Sicherheit sowie Skalierbarkeit für Legacy-Systeme oder deren Migration in alternative Lösungen.”
  4. Jens Krüger, Chief Product Architect bei Workday
    “Die Modernisierung von monolithischen IT-Systemen und veralteten Prozess-Architekturen bringt organisatorische Agilität durch optimierte Geschäftsprozesse, erhöhte Systemleistung und Zuverlässigkeit sowie die notwendige Flexibilität im täglichen Betrieb. Komplexe Altsysteme, oft mit maßgeschneiderten Software-Eigenentwicklungen, verursachen einen hohen Aufwand für Wartung und Betrieb: Mit dem Einsatz von Standard-Software lassen sich langfristig Kosten senken und gleichzeitig die Transparenz erhöhen sowie die Compliance und Sicherheit verbessern.”<br /><br />”Eine Modernisierung der IT-Systeme und eine Digitalisierung der Geschäftsprozesse wird nicht erfolgreich sein, wenn veraltete Anwendungen einfach nur in einer Cloud laufen statt On-Premises. Erst mit einer echten und cloud-nativen SaaS-Architektur können Unternehmen von Vorteilen wie Agilität, Flexibilität und Skalierbarkeit für ihre digitalen Prozesse profitieren.”
  5. Mesut Bakir, Managing Director DACH bei CAST
    “Mit einer modernisierten IT-Infrastruktur können Unternehmen ihre Kosten senken und beispielsweise Maintenance-Kosten in sechs- bis siebenstelliger Höhe einsparen. Zudem werden sie dadurch attraktiv für nachfolgende Talente und Mitarbeiter und erhalten im Zuge der Modernisierung eine nachhaltige Dokumentation inklusive fundiertem Wissenstransfer.”<br /><br />”Cloud Computing spielt in der heutigen Modernisierung von Legacy-Systemen nach wie vor eine sehr gewichtige Rolle, da es ein schnelles und flexibles Handling der Transaktionslast der einzelnen Applikationen ermöglicht und damit Zeit sowie Kosten einspart. Auch hier gelten die grundsätzlichen Vorteile der Cloud wie nicht mehr benötigte Hardware, minimaler Administrations- und Wartungsaufwand, reduzierte Energiekosten oder einfacheres Backup.”

Wahrscheinlich möchten Sie weder ein langweiliges Gegenüber daten oder einen langweiligen Film sehen. Sind Sie allerdings CIO, haben Sie ein gesteigertes Interesse daran, “langweilige” Technologie zu kaufen. Denn in diesem Zusammenhang meint “langweilig”, dass die Dinge einfach nur funktionieren. Bislang waren Mainframes der Inbegriff dieser Definition – inzwischen sind die Großrechner zunehmend auf die falsche Art langweilig. “Langweilig” kann nämlich auch auf einen Mangel an Dynamik hindeuten – und das ist exakt der Punkt, an dem sich Mainframes befinden: In Zeiten, in denen die Welt auf Microservices und Everything as a Service ausgerichtet ist, halten Mainframes Unternehmen in ihrer alten Infrastruktur gefangen. Das zwingt die Anwenderfirmen dazu, behäbig zu agieren. Das wiederum macht sie langweilig im Sinne von uninteressant.

Einige Mainframe-Anbieter haben bislang versucht, den Markt und ihre Kunden davon zu überzeugen, Mainframes seien integraler Bestandteil einer Cloud-Zukunft. Das ist ein ebenso fataler Irrtum wie die Behauptung, Mainframe-Einnahmen seien eigentlich Cloud-Einnahmen und verhindert lediglich, Anreize für den Wandel zu setzen. Die Kunden bleiben in Legacy-Sackgassen gefangen.

Charles Fitzgerald, Angel-Investor und ehemaliger Microsoft- und VMware-Manager, drückt es folgendermaßen aus: “Es ist wirklich lange her, dass die Kunden Einfluss auf die Preisgestaltung der Mainframe-Anbieter hatten – aber nun kommt die Cloud auch in diesen Bereich. Jeder Kunde sollte ein AWS– oder Azure-Projekt haben, um einen Workload vom Mainframe in die Cloud zu verlagern.”

Wenn die Vermutungen zutreffend sind, dass immer noch 50 Prozent (oder mehr) der Enterprise-Daten auf Mainframes vorgehalten werden, wird der Abschied vom Mainframe kein einfaches – oder schnelles – Unterfangen. Das bestätigt auch Rob Carter, CIO von FedEx: “Unsere Cloud-Reise ging nicht über Nacht. Es war eher ein Vorhaben, an dem wir über ein Jahrzehnt gearbeitet haben, indem eine monolithische Anwendung nach der anderen eliminiert wurde.” Laut Fitzgerald kann ein solches Migrationsunterfangen mit nur einem Workload beginnen. Das könne die Grundlage sein, um Erfahrung und Disziplin aufzubauen und in größerem Maßstab fortzufahren. Dabei gibt er zu bedenken: “Die Uhr tickt allerdings – immer mehr Mitarbeiter mit relevantem Knowhow scheiden aus dem Arbeitsleben aus. In der Zwischenzeit ist jeder Dollar, der für Mainframes ausgegeben wird, einer, der nicht in Business-Innovationen fließen kann.”

Für FedEx beläuft sich das Delta zwischen Cloud und Mainframe auf 400 Millionen Dollar. Dabei sind die anderen Vorteile, die sich aus der Abkehr vom Mainframe ergeben, etwa das Mehr an geschäftlicher Agilität, noch gar nicht berücksichtigt. Wenn die Cloud ein Innovationsmultiplikator ist, ist der Mainframe ein Bremsklotz.

Die gute Nachricht: Endlich befassen sich auch die Hyperscaler ernsthaft mit dem Thema Mainframe-Modernisierung. AWS, Microsoft und Google verfügen alle über Tools und Prozesse, die Unternehmen bei der Migration von Mainframe-Anwendungen in ihre jeweiligen Clouds unterstützen. Das sollte dazu beitragen, diesen oft mühsamen Prozess zu vereinfachen.

Das allein genügt für die Cloud-Anbieter jedoch nicht zum Erfolg: Sie müssen auch Lobbyarbeit innerhalb der CIO-Gemeinschaft betreiben – ähnlich wie es die Mainframe-Anbieter in den letzten Jahrzehnten getan haben. Kombiniert mit Marketing der alten Schule – Kaffeetassen und Golfpartien – könnte das CIOs mit dem nötigen Mut ausstatten, nicht mehr im Takt des erzwungenen Mainframe-Upgrade-Zyklus zu marschieren, sondern ein innovativeres Cloud-Lied anzustimmen. (fm)

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation Infoworld.

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