US-Börsenaufsicht: Wie eine Behörde die Public Cloud ausreizt

Die US-Börsenaufsicht SEC gehört mit ihrer untergeordneten Behörde Financial Industry Regulatory Authority (Finra) zu den größten AWS-Kunden der Welt.

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Steve Randich ist CIO der Financial Industry Regulatory Authority (Finra) – einer Non-Profit-Behörde unter Aufsicht der US Securities and Exchange Commission (SEC), deren Aufgabe es ist, die Integrität aller Handelsteilnehmer sicherzustellen. Die Finra gehört zu den größten Cloud-NutzernCloud-Nutzern der Welt, und sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, anderen CIOs bei der Verbesserung der Cloud-Nutzung zu helfen und ihrem Provider AmazonAmazon Web Services (AWS) ihr Erfahrungswissen zurückzuspiegeln. Alles zu Amazon auf CIO.de Alles zu Cloud Computing auf CIO.de

“Angesichts unseres hohen Datenvolumens würde ich behaupten, dass wir wahrscheinlich der größte Datennutzer bei AWS sind, wenn es um simultane Verarbeitung geht”, sagt Randich. “Wir haben rund anderthalb Jahre damit zugebracht, diverse Engpässe zu beseitigen – zusammen mit den Amazon-Profis. Jetzt sind wir in einer guten Position”, so der CIO. “Aber zuvor haben wir zwei Jahre lang die Grenzen der Public Cloud ausgetestet.”

Randich, der 2013 zu Finra kam, war vorher schon als Co-CIO für die Citigroup und als IT-Chef für die Nasdaq tätig. Mit der Public Cloud kennt er sich aus, und seiner Erfahrung nach ist sie “nicht so unendlich horizontal skalierbar, wie viele denken”, auch wenn nur eine Handvoll Unternehmen jemals an die Grenzen stießen.

Randichs Erfahrungen mit der Public Cloud bestätigen eine Reihe von Trends, die Branchenanalysten und IT-Verantwortliche in letzter Zeit mit der Cloud-Nutzung in Unternehmen beobachtet oder selbst gemacht haben. So investieren große AWS-Kunden vermehrt in die Verarbeitung unstrukturierter Daten und wollen eine größere Vielfalt an Datensätzen bearbeiten, um das Training ihrer Machine-Learning-(ML-)Modelle zu verbessern.

Es geht darum, möglichst alle Arten von Daten, die in Data Lakes gespeichert sind, nutzbar zu machen. Die Analysten von Gartner stellen denn auch fest, dass etwa 80 bis 90 Prozent der Daten von Unternehmen kaum oder gar nicht strukturiert sind und daher meist nicht für KI-Cloud-Anwendungen verwendet werden.

Bei der Finra habe die “tiefgreifende Erschließung von bislang ungenutzten Daten in den Data Lakes das Spiel verändert”, sagt Randich. Er lobt das Engagement der AWS-Profis, die der Behörde geholfen hätten, ihre Cloud-Plattform zur Unterstützung unstrukturierter Daten weiterzuentwickeln – einschließlich neuer Arten von Datensätzen, wie Bild- und Audiodaten. Die Behörde könne jetzt riesige Mengen bislang ungenutzter, geschäftskritischer Daten, die in Dokumenten gespeichert sind, in ML-Modelle einbinden, so der CIO.

Seine Organisation nutze dafür beispielsweise die AWS-Comprehend-Plattform für die Verarbeitung natürlicher Sprache, um Entitäten aus unstrukturierten Daten zu extrahieren. “Wir verwenden sie, um große Mengen an Dokumenten digital zu überprüfen und interessante Elemente, wie zum Beispiel Namen, zu extrahieren beziehungsweise zu markieren”, berichtet der CIO. Allein diese Verbesserung habe es seiner Organisation und anderen ermöglicht, Analysen und ML auf viel mehr Daten als in der Vergangenheit anzuwenden.

“Aufgrund des schieren Volumens brauchen wir fortschrittliche Technologien wie diese, damit wir strukturierte und unstrukturierte Daten verarbeiten, analysieren und auf Verstöße oder gar Betrug in untersuchen können”, sagt Randich.

Als CIO einer US-Behörde erstaunlich aufgeschlossen für die Public Cloud: Steve Randich, CIO der Finra.

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Dabei sind allerdings die steigenden Cloud-Kosten zu einem der wichtigsten Themen für Randich und wohl auch für viele andere CIOs geworden, die ihre digitale Transformation vorantreiben wollen. Deshalb klärt AWS seine Großkunden verstärkt darüber auf, wie sie intelligente Tiering-Speicheroptionen einsetzen können, um die Kosten für das Hosting ruhender Daten zu senken. Im Gegenzug müssen sie einen Aufschlag für Daten zahlen, die in den bei AWS ausgeführten Anwendungen am aktivsten genutzt werden.

Randich zufolge überweist Finra jährlich 200 Millionen Dollar an AWS, eine Summe, die in der Führungsetage durchaus für Diskussionen sorge. Doch der CIO kann beruhigen. Zum einen lägen die Kosten im Rahmen der Prognosen der Behörde. Zum anderen sei AWS tatsächlich günstig: “Ich habe das analysiert, die Infrastrukturkosten sind bei AWS um 40 Prozent niedriger, als sie in einem privaten RechenzentrumRechenzentrum wären. Das ist auch genau die Zahl, die wir prognostiziert haben, als wir 2013 unsere Reise begannen”, sagt Randich. AWS leiste vor allem gute Arbeit, wenn es darum gehe, Daten auf die jeweils günstigsten und am besten geeignetsten Speichermedien zu verlagern. Alles zu Rechenzentrum auf CIO.de

Randich prüft ständig, wie sich mit der Elastizität der Cloud, dem Amazon S3 Intelligent Tiering und den Einsparungen bei den Volumenlizenzkosten optimale Ergebnisse erzielen lassen. So sparte Finra 35 Prozent durch die Migration großer Datenmengen von Amazon S3 Standard auf kostengünstigere Speicheroptionen.

“Eines der Dinge, die wir in den letzten Jahren getan haben, ist die Überprüfung unserer Service Level Agreements (SLAs). Wir haben unsere SLA-Anforderungen algorithmisch mit den Spotpreisen abgeglichen, damit wir unsere Arbeitslasten so planen können, dass die Amazon-Stückkosten am niedrigsten sind”, fügt der IT-Chef hinzu.

Randich ist beeindruckt davon, wie die Cloud-Anbieter in enger Zusammenarbeit mit den Regierungsbehörden weltweit die Cloud gegenüber externen und internen Angriffen sicher gemacht haben. Skeptisch ist er aber in Bezug auf Multi-Cloud-Infrastrukturen. Die SEC folgt wie viele andere Organisationen technisch gesehen diesem Ansatz, da sie AWS für wichtige Kernanwendungen und MicrosoftMicrosoft Azure für Programme wie Office 365Office 365 nutzt. Alles zu Microsoft auf CIO.de Alles zu Office 365 auf CIO.de

Für den Finra-CIO ist das technisch kein Problem. Unmöglich sei es derzeit aber noch eine echte Multicloud-Infrastruktur aufzubauen, in der einzelne Unternehmensanwendungen nahtlos auf mehreren Hypervisoren unterschiedlicher Anbieter laufen könnten. Dafür macht Randich die schlechte Zusammenarbeit und den Wettbewerb zwischen den Cloud-Anbietern verantwortlich. “Es gibt eine ganze Branche, die davon lebt, dass die Cloud-Anbieter kein echtes Interesse an Multi-Cloud haben”, sagte Randich. “Ich glaube auch, dass wir davon immer noch fünf bis zehn Jahre entfernt sind.”

Manche Anbieter gingen in ihrem Wettbewerbsstreben zu weit, so der CIO. So wirft er Microsoft vor, die Finra daran zu hindern, SharePointSharePoint und Office 365 auf Citrix in der AWS-Cloud auszuführen. “Sie zwingen uns für diese Dienste in die Azure-Cloud”, ärgert sich Randich. Er hoffe, dass die Cloud-Anbieter bald flexibler würden und Interoperabilität zuließen, aber: “Es scheint, dass sie weiter voneinander entfernt sind als noch vor einem Jahr.” Alles zu Sharepoint auf CIO.de

Doch nicht nur die Anbieter sind dem Finra-CIO zufolge schuld, wenn die Cloud-Transformation nur schleppend vorangeht. Viele Unternehmen scheitern demnach, weil sie nicht verstanden haben, wie viel Zeit, Schulung und Führung nötig sind, um alles richtig zu machen. “Wir machen kein Geheimnis aus unserer Cloud-Reise und beraten andere Unternehmen gern”, sagt Randich. Es geht schließlich auch darum, für Talente interessant zu erscheinen. “Wenn andere Leute da draußen sehen, dass ausgerechnet eine Finanzaufsichtsbehörde erfolgreich in die Cloud umsteigt, zieht das eine Menge Aufmerksamkeit auf sich.” Randich hilft anderen CIOs beim Aufbau einer optimalen Cloud-Infrastruktur. Er habe bereits 200 Unternehmen bei der Migration in die Cloud zur Seite gestanden, sagt er. (hv)

Der Beitrag ist zuerst bei den US-Kollegen in der CIO.com erschienen.

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