„Es braucht clevere Projektmanager mit Know-how“



ITD: Frau Deichsel, welche Herausforderungen bringen flexible Arbeitsmodelle, Homeoffice und Co. mit sich?
Deichsel:
Durch den pandemiebedingten Umzug großer Teile der Belegschaft in die eigenen vier Wände sahen sich viele Unternehmen gezwungen, ad-hoc Arbeitsprozesse neu zu denken. Dabei war der Übergang hin zu mehr Flexibilität oft kein leichter. Im Gegenteil: Vielerorts wurden teilweise nach dem Trial-und-Error-Prinzip Abläufe etabliert und wieder umgeschmissen. Drei Jahre später verbringen Vollzeitbeschäftigte in Deutschland durchschnittlich 1,4 Tage pro Woche im Homeoffice und es scheint so, als ob Firmen Remote Work oder zumindest hybride Modelle unterstützen und anwenden. Wer hier einen genaueren Blick wagt, stellt jedoch schnell fest, dass zahlreiche Organisationen noch mit der Entwicklung eigener Visionen ringen. Selbst Betriebe, die mit hybriden Konzepten experimentieren, tun sich schwer, die richtige Balance zwischen Präsenzpflicht und Distanzoptionen zu finden, soziales Kapital aufzubauen und Gleichstellung zu erzielen.

ITD: Inwieweit können Chief Remote Officers (CRO) an dieser Stelle aushelfen?
Deichsel:
Um auch mit komplexen Arbeitsformen, bei denen einige Mitarbeiter im Unternehmen an ihren Schreibtischen sitzen, andere 100 Prozent remote tätig sind und wieder andere ihre Arbeitstage zwischen dem eigenen Zuhause und dem Büro aufteilen, erfolgreich zu sein, müssen die Rahmenbedingungen übergeordnet geklärt sein. Genau hier setzten CROs an, formulieren längerfristige Pläne und führen Best Practices ein, um proaktiv Herausforderungen zu lösen.

 

ITD: Was sind die zentralen Aufgaben eines CROs?
Deichsel:
Chief Remote Officer kümmern sich zwar vorrangig um die Neuinterpretation organisatorischer Kernprozesse und die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben. In der Praxis geht es aber darüber hinaus auch um handfeste Belange. Braucht etwa das Workplace-Experience-Team, das damit beauftragt ist, ein inspirierendes Umfeld für Mitarbeiter zu schaffen, Unterstützung bei der Gestaltung der Büroräume, wenn Arbeitnehmer sich entscheiden, onsite ihrem Job nachzugehen, finden es im CRO eine Ansprechperson. Stellen sich dem Recruiting-Team Fragen nach Einstellungsrichtlinien oder -verfahren, wenden sie sich zur Verbesserung der Remote-Erfahrung an den CRO. Und weisen Mitarbeiter auf Probleme hin, die durch falsch eingesetzte Kollaborations-Tools entstehen, fällt das ebenso in die Domäne des CROs wie die Koordination des Workflows über verschiedene Zeitzonen, die virtuelle Kaffeepause oder Tipps zur Vermeidung von Bildschirmmüdigkeit.

ITD: Inwieweit greifen Großunternehmen anno 2023 bereits auf einen CRO zurück?
Deichsel:
Es gibt Unternehmen, wie das Beratungsunternehmen IG&H aus Utrecht oder das in Australien gegründete Software-Unternehmen Atlassian, die bereits eigene C-Level-Stellen für die Heimarbeit geschaffen haben. Im deutschsprachigen Raum herrscht bei der Frage, ob CROs notwendig sind, jedoch eher Skepsis. Es scheint einen Konsens zu geben, dass die Wirtschaft nicht auf 100 Prozent remote zusteuert und der Übergang zu einer hybriden Arbeitswelt als Projekt irgendwann abgeschlossen sein wird. Gleichzeitig reift die Erkenntnis, wenn die Rahmenbedingungen nicht übergeordnet geklärt sind, entstehen unternehmensintern Biotope, wodurch schlimmstenfalls das Wir-Gefühl verloren geht und die Produktivität leidet.

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ITD: Welche Tools sind für einen CRO wichtig?
Deichsel:
Der Erfolg von dezentralem, digitalem Arbeiten steht und fällt mit der Organisationsstruktur und den Kommunikationswegen. Um hier die räumliche Trennung zu überbrücken, führt an virtuellen Werkzeugen, sozialen Netzwerken und anderen neuen Technologien kein Weg vorbei. Insbesondere klassische Videokonferenzen via Teams oder Zoom sind dabei aus dem Arbeitsalltag nicht wegzudenken. Aber auch einfach zu bedienende Kommunikations-Tools wie Slack, die es sowohl in einer mobilen Anwendung als auch für Desktops gibt, helfen Nutzern, ihre Zusammenarbeit auch abteilungsübergreifend zu koordinieren oder sich mit Kollegen auszutauschen. Und um zwischen Statussitzungen und der täglichen E-Mail-Flut den Überblick in Sachen „Projektarbeit“ nicht zu verlieren, unterstützen Werkzeuge wie Asana oder Trello, Arbeitsabläufe effizient zu strukturieren.

 

 

ITD: Welche Stellung nimmt hier z.B. ein cleveres Projektmanagement ein, um Best Practices zu etablieren?
Deichsel:
Ganz gleich, ob eigene Chefposten für Remote Work entstehen oder die Themen-Ownerschaft neu definiert wird – um mobiles Arbeiten langfristig in Organisationen zu etablieren, braucht es clevere Projektmanager mit Know-how im Bereich virtuelle Führung und Technik. Ihr Erfolg hängt dabei nicht nur davon ab, eine Remote-Infrastruktur einzurichten, sondern auch kooperativ und abteilungsübergreifend zu arbeiten. Denn eine effektive Verhaltens- und Kulturänderung integriert alle von der Transformation Betroffene, sodass sie frühzeitig verstehen, wie sich ihre Tätigkeiten wandeln. Konkret heißt das: Mitarbeiter gilt es zu befähigen, sich selbst zu organisieren, ihre Eigenverantwortung zu stärken und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich fachlich, inhaltlich und persönlich weiterzuentwickeln. In der Praxis zeigt sich darüber hinaus immer wieder, dass für den Erfolg von solchen Transformationsprojekten sogenannten Power Skills eine erhebliche Rolle spielen. Das verdeutlicht nicht zuletzt auch die aktuelle Ausgabe des Pulse of the Profession Reports 2023 des Project Management Institute (PMI). Dort gelten etwa transparente Kommunikation und lösungsorientiertes Konflikt-Management als entscheidende Faktoren, die dazu beitragen, dass fast 80 Prozent der Projekte ihr geplantes Ziel erreichen. Damit Remote also funktioniert, geht es nicht um Slack, Zoom oder Teams, sondern einen zivilisatorischen Wandel, der den neuen Erwartungen an den Arbeitsplatz gerecht wird und eine positive Dynamik im Unternehmen aufbaut. Ohne bewusstes Management beim Thema „dezentrales Arbeiten“ verlassen sich Unternehmen darauf, dass jeder einzelne Mitarbeiter zur richtigen Zeit das Richtige tut.

Bildquelle: PMI

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