„Weniger Konfliktpotenzial“



ITD: Herr Scheiblich, welche Arbeitsformen und Arbeitszeitmodelle bevorzugen Mitarbeiter deutscher Großunternehmen anno 2023?
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cheiblich: Die Anforderungen der Arbeitssuchenden haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Vor allem die Generation Z und Millennials erwarten von den Betrieben gewisse Standards, um Beruf und Privatleben zu vereinbaren. Flexible Arbeitszeiten, alternative Anstellungsmodelle und geringe Überstunden rücken mehr in den Fokus. Auch wenn das für die Arbeitgeber manchmal Kompromisse bedeuten kann. Hier gilt es, offen für New-Work-Modelle zu sein und auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter einzugehen. Zusätzlich werden eine wertschätzende Unternehmenskultur, flache Hierarchien und ein transparenter Austausch mit den Vorgesetzten längst vorausgesetzt. Das gilt auch in Großunternehmen. Hier müssen Entscheider klare Wertvorstellungen und eine verantwortungsbewusste Haltung vertreten und glaubhaft nach außen kommunizieren. Dass neue Entwicklungen dabei zu neuen Bedürfnissen und Angeboten führen, ist kein Novum. Wichtig ist nur, diese Trends und Anforderungen im Auge zu behalten, um rechtzeitig reagieren zu können und so für die Mitarbeiter sowie potenzielle Bewerber gleichermaßen attraktiv zu bleiben.

 

 

ITD: Welche Tools und Lösungen sind für eine effektive Zusammenarbeit im Rahmen flexibler Arbeitsmodelle unabdingbar?
Scheiblich: Mittlerweile ist es essentiell, die eigenen Standards an die gewünschten Modernisierungsanforderungen der Mitarbeiter anzupassen. Vor allem im Bereich des Personalmanagements können Betriebe mit übersichtlichen Tools und intuitiven Applikationen punkten. Denn neue Technologien und digitale Prozesse sind in der aktuellen Arbeitswelt entscheidend. So sind es Millennials und vor allem die noch jüngere Gen Z mittlerweile gewohnt, ihren kompletten (Arbeits-)Alltag digital zu organisieren. Moderne Software-Lösungen und Apps bieten dabei beispielsweise ortsungebundene Möglichkeiten, die Arbeitszeit und den Arbeitsalltag effizient zu erfassen. Zudem behalten Personalmanager so den Überblick über ihre Zuständigkeitsbereiche und erstellen gemeinsam mit den Mitarbeitern im Handumdrehen Schichtpläne. Nützliche Features, wie eine interne Kommunikationsfunktion und die Verknüpfung zu schon bestehenden Tools, sorgen zusätzlich dafür, dass sich der Arbeitsalltag besser gestaltet, Manager auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter eingehen können und mehr Zeit für das bleibt, was wirklich zählt.

 

 

Auch in Sachen „Recruiting“ und „interner Weiterbildung“ unterstützen digitale Prozesse und Tools ungemein. So haben Bewerber z.B. verschiedene Kanäle, über die sie auf die Arbeitgeber zukommen können. Diese unterschiedlichen Portale können dank smarter Lösungen inhouse zu einer zentralen Datenbank zusammengefasst und der komplette Bewerbungsprozess damit effizienter gestaltet werden. Absagen oder die Priorisierung von potenziellen Mitarbeitern sowie Terminerinnerungen und Onboarding-Prozesse können ebenso automatisiert werden. So kann die Einarbeitung beispielsweise effizienter durch Online-Videos, webbasierte Trainings oder Mediatheken erfolgen und so wertvolle Ressourcen sparen. Außerdem tragen personalisierte Performance-Dashboards, die den Fortschritt von Mitarbeitern transparent sowie jederzeit abrufbar darlegen, zur Bindung und Weiterentwicklung von Angestellten bei. Mittels intuitiver Tools kann dann eine stärkere Feedback-Kultur gelebt und die eigene Leistung in messbaren Zielen festgehalten werden. Schlussendlich steigt die Zufriedenheit und Loyalität der Mitarbeiter nachhaltig, wenn Arbeitgeber ein gut strukturiertes und organisiertes Arbeitsumfeld bieten. Der Ausbau Cloud-basierter HR-Software ist daher im Rahmen flexibler Arbeitsmodelle für eine effektive Zusammenarbeit unbedingt sinnvoll.

 

 

 

ITD: Ein weiteres Thema, welches aktuell verstärkt in den Medien diskutiert wird, ist die Arbeitszeiterfassung. So sind Arbeitgeber ab sofort gesetzlich verpflichtet, die Arbeitszeiten aller Mitarbeiter zwingend zu dokumentieren. Worin sehen Sie grundsätzlich die Vor- und Nachteile einer Arbeitszeiterfassung – sowohl für die Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer?
Scheiblich: Eine geregelte Arbeitszeiterfassung ist natürlich vor allem aus der Perspektive der Angestellten wichtig. Denn sie dient zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten. Zudem ist die Zeiterfassung notwendiger Bestandteil insbesondere der Branchen, in der Mitarbeiter häufig nach Stunden bezahlt werden. Arbeitnehmer haben es dadurch leichter, die geleisteten Stunden selbst zu erfassen und die entsprechende Vergütung, in Form von Gehalt oder Freizeitausgleich, dafür einzufordern. Eine Zeiterfassungspflicht bedeutet darüber hinaus für viele Branchen also, dass weniger Konfliktpotenzial besteht und Mitarbeiter durch ihre Selbstkontrolle motivierter und selbstbestimmter werden. Denn wenn sowohl Überstunden als auch Fehlzeiten oder Pausen nachvollziehbarer sind, kann mit noch mehr Fairness und auf Augenhöhe kommuniziert werden.

 

 

Insbesondere bei Vertrauensarbeitszeiten oder auch Teilzeitkräften kann es aber natürlich zu Nachfragen in Unternehmen kommen. Denn auch Arbeitgeber, die bisher darauf setzen, sind dazu verpflichtet, ein solches Arbeitszeiterfassungssystem einzuführen, um die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen. Nachteile gibt es nur für die Unternehmen, die sich nicht daran halten. Denn wenngleich die Aufzeichnungspflicht derzeit zwar nicht sanktioniert wird, tun Unternehmen dennoch aufgrund der aktuell großen Aufmerksamkeit gut daran, sich aktiv mit dem Thema zu beschäftigen.

 

 

ITD: Wie passen Stechuhr und flexible Arbeitsweisen zusammen?
Scheiblich: Flexible Arbeitsweisen – beispielsweise Vertrauensarbeit – stehen durch die Pflicht zur Zeiterfassung in Unternehmen keinesfalls vor dem Aus. Denn hier dient die Erfassung eben nicht zum Zwecke der Kontrolle, ob jemand genug gearbeitet hat. Vielmehr wird auch hier lediglich kontrolliert, ob eine Einhaltung der Grenzen des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) erfolgt. Es wird also auch weiterhin darauf vertraut, dass die Beschäftigten ihre Arbeitszeit selbst gestalten dürfen und man nicht kontrolliert, ob diese angemessen ist oder die vereinbarten Stunden gearbeitet werden.

 

 

 

ITD: Wie lässt sich die Arbeitszeit einfach, effizient und rechtskonform im Rahmen flexibler Arbeitsmodelle am besten erfassen?
Scheiblich: Digitale Tools zur Zeiterfassung bieten eine objektive, verlässliche und zugängliche Methode für alle Parteien. So können sich Mitarbeiter mit einer digitalen Stempeluhr beispielsweise via App oder auch stationär ein- und ausstempeln – egal ob im Betrieb selbst, im Homeoffice oder im Außendienst. Solche Tools sorgen dann dafür, dass der Arbeitsalltag besser gestaltet und organisiert werden kann, was schlussendlich sowohl Arbeitgebern als auch Arbeitnehmern zugutekommt.

 

 

ITD: Worauf gilt es bei der Wahl einer entsprechenden Zeiterfassungslösung zu achten?
Scheiblich: Die Arbeitszeiterfassung kann aktuell sowohl über ein elektronisches Erfassungssystem wie eine Personalverwaltungssoftware, aber auch per Selbstaufzeichnung durch die Arbeitnehmer, beispielsweise per Excel-Tabelle, organisiert werden. Wichtig jedoch: Arbeitgeber müssen sich die Aufzeichnungen beispielsweise am Ende jeder Arbeitswoche aushändigen lassen und diese zumindest regelmäßig stichprobenartig im Hinblick auf Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz überprüfen. Digitale Tools haben da natürlich einen großen Vorteil, denn sie ermöglichen eben nicht nur eine unkomplizierte Aufzeichnung für die Mitarbeiter, sondern vereinfachen die Freigabe der endgültigen Stunden sowie die fehlerfreie Abrechnung für die Arbeitgeber.

 

 

ITD: Was macht ein gutes System aus?
Scheiblich: Transparenz, eine intuitive Bedienbarkeit sowie Nachvollziehbarkeit des Systems für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen sind bei der Wahl ausschlaggebend. Damit dann auch jeder darauf zugreifen kann, müssen solche Tools auf verschiedenen Kanälen wie Tabletts, dem Smartphone oder eben dem Desktop anwendbar sein. Zudem sollte die Integration in die vorhandene Infrastruktur möglichst einfach sein. Unternehmen sollten also gezielt auf Anwendungen mit Open API setzen. Funktionen wie das Geofencing können überdies helfen, Klarheit in die Erfassung zu bringen. So wird Geofencing beispielsweise verwendet, damit sich Mitarbeiter nur dann ein- und ausstempeln können, wenn sie sich physisch in einem bestimmten Bereich aufhalten. Diese Bereiche gilt es vorab natürlich zu definieren. Um mit der aktuellen Gesetzgebung zudem immer Schritt halten zu können, gilt es, auf ein objektives, verlässliches sowie zugängliches System der Arbeitszeiterfassung zu setzen, um die Rechte der Arbeitnehmer einzuhalten.

 

 

 

ITD: Wie ist es um den Datenschutz beim Prozess der Arbeitszeiterfassung bestellt?
Scheiblich: Neben der Zeiterfassung der Arbeitszeiten durch digitale Tools und Apps werden auch personenbezogene Daten der Mitarbeiter gespeichert. Bisher enthält das Arbeitszeitgesetz keine genauen Vorgaben zum Thema „Datenschutz“ beim Prozess der Zeiterfassung. Betriebe müssen sich jedoch in jedem Fall konform zur Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verhalten. Das bedeutet für Arbeitgeber: Es besteht die Pflicht, dass Personaldaten vor einem Zugriff von außen geschützt werden müssen. Außerdem dürfen Firmen ihre Arbeitszeitdaten nicht weitergeben und die Informationen aus der Zeiterfassung auch nur für einen Zeitraum von maximal zwei Jahren aufbewahren. Hinsichtlich der Personalakte wiederum gilt: Arbeitnehmer haben das Recht, die eigene Akte jederzeit einzusehen. Jedoch dürfen Angestellte ihre Personalakte in Papierform nicht mit nach Hause nehmen bzw. aus dem Büro entfernen. Auch die Einsicht selbst muss bei einer analogen Akte direkt im Arbeitsumfeld geschehen. Dieser Vorgang lässt sich durch digitale Datenerfassung deutlich vereinfachen, da auch von überall elektronisch auf die gewünschten Informationen zugegriffen werden kann.

 

 

ITD: Wird es das „herkömmliche Stempeln“ zukünftig noch geben?
Scheiblich: Immer mehr Unternehmen erkennen die Vorteile digitaler Lösungen und nutzen diese. Insbesondere mit dem Rückenwind des demografischen Wandels wird der herkömmliche Stempel über kurz oder lang ausgedient haben.

 

Bildquelle: Planday

 

 

 

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Was ist Operations Management?