Booster für die Digitalisierung

ITD: Herr Kraupa, wie stark setzen IT-Verantwortliche großer Unternehmen aktuell auf das Auslagern von Prozessen und Anwendungen?
Ingo Kraupa:
„Die Massenflucht ins Homeoffice hat dazu geführt, dass Unternehmen die Digitalisierung jetzt erst recht vorantreiben. Das beginnt damit, dass papierbezogene Prozesse abgebaut werden müssen, die mit dem hybriden Arbeiten nicht mehr funktionieren. Aber auch die Sicherheit und Verfügbarkeit von IT kommen momentan häufig auf den Prüfstand.“

ITD: Welchen Einfluss haben die Corona-Pandemie und die Digitalisierung in nahezu allen Branchen auf den Beratungsbedarf und die Sourcing-Strategien der Unternehmen?
Kraupa:
„Zu Beginn der Corona-Pandemie gab es einen zusätzlichen Treiber für Unternehmen, Digitalisierungsprojekte schneller als geplant umzusetzen. Damit steigt unweigerlich auch der Bedarf an Consulting- und Dienstleistungen durch externe Infrastrukturanbieter. Wir bei noris network haben festgestellt, dass es jetzt besonders häufig darum geht, unabhängig vom On-Premises-Rechenzentrum zu werden, um auch in Krisenzeiten wettbewerbsfähig bleiben zu können.“

ITD: Inwiefern wird im Outsourcing auch eine Chance gesehen, die eigene Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft zu steigern?
Kraupa:
„Hier spielt der Faktor Personal eine Rolle, weil Organisationen mit IT-Outsourcing weniger anfällig für das Thema Fachkräftemangel werden. Selbst die Auslagerung geschäftskritischer Prozesse und hoch sensibler Daten ist heute problemlos möglich, wenn ein paar Voraussetzungen erfüllt sind. Das Rechenzentrum des Providers sollte unbedingt in Deutschland, zumindest aber in der EU stehen, und bestimmte Zertifizierungen wie TSI Level 4 oder ISO 27001 auf Basis von IT-Grundschutz vorweisen können.“

ITD: Wie kommt man zur richtigen Entscheidung, was ausgelagert werden sollte und was nicht? Wie gehen IT-Verantwortliche dabei vor?
Kraupa:
„Das ist abhängig vom Geschäft und der Branche des Unternehmens. Finanzdienstleister müssen beispielsweise ganz andere Regularien hinsichtlich Governance und Compliance erfüllen als ein Unternehmen in der Fertigung.“

ITD: Welche Kriterien sollten Verantwortliche für die Auswahl eines passenden Dienstleisters ansetzen?
Kraupa:
„Unumgänglich ist zunächst einmal, dass klar wird, welche Anforderungen und Herausforderungen existieren. Auf dieser Basis lassen sich Dienstleister evaluieren, die zum Unternehmensprofil passen. Partnerschaft auf Augenhöhe ist wichtig.“

ITD: Wie lässt sich eine gute Partnerschaft auf Augenhöhe erreichen?
Kraupa:
„Grundsätzlich sollten Partner nicht nur an Kompetenz und Angebot gemessen werden. Auch die Größe ist ein Indikator für eine gute Zusammenarbeit. Häufig passen unterschiedlich große Unternehmen nicht zusammen, weil sich Vorstellungen und Angebote zu stark voneinander unterscheiden: Für viele Mittelständler ist das Portfolio großer Dienstleister zu umfangreich und teuer, große Unternehmen benötigen hingegen häufig mehr, als kleine Servicepartner bieten können. Es sollte deshalb ein Rahmen definiert werden, wie viel Management beziehungsweise Beratung nötig ist und wie groß der Hands-on-Anteil sein soll. Außerdem brauchen beide Seiten einen festen Verantwortlichen, um kurze Entscheidungen zu ermöglichen.“

ITD: Welche Stolpersteine sollten Unternehmen beim Abschluss eines Dienstleistungsvertrags bzw. beim Service-Level-Agreement im Blick behalten?
Kraupa:
„Die Service-Level sollten so gewählt sein, dass sie den Kern der Dienstleistung treffen. Dies ist oft gar nicht so einfach. Eine Verletzung der Service-Level sollte beide Partner schmerzen, bis hin zur Möglichkeit, den Vertrag im Ernstfall auch vorab kündigen zu können. Auch ist es gut, bereits im Vorfeld an das Vertragsende zu denken und an die Überleitung zu einem potenziellen neuen Partner.“

ITD: Wo machen Unternehmen am häufigsten Fehler bei einer Servicepartnerschaft?
Kraupa:
„Oft ist Unternehmen nicht klar, was genau sie vom Partner erwarten. Manche Organisationen möchten die Architektur mitbestimmen, andere wiederum beschäftigen sich ausschließlich mit dem Kerngeschäft und überlassen dem Partner die IT komplett.“

ITD: Was gilt es in puncto Datensicherheit zu beachten?
Kraupa:
„Datensicherheit ist schon in On-Premises-Umgebungen das Thema der Zeit. In Zusammenhang mit dem Outsourcing bekommt der Aspekt noch einmal mehr Gewicht. Schließlich geht es zum Teil darum, die Verantwortung für sensible Informationen und geschäftskritische Prozesse in fremde Hände zu legen.“

ITD: Das Outsourcing weckt nicht selten Ängste bei den Mitarbeitern. Wie gelingt es, alle unternehmenseigenen Abteilungen auf diesem Weg mitzunehmen?
Kraupa:
„Wichtig ist, dass die Gründe für das Outsourcing offen und ehrlich kommuniziert werden. In der Regel geht es ja nicht darum, Mitarbeiter abzubauen, sondern sich mit der Auslagerung von Prozessen Freiräume und neue Möglichkeiten für die Geschäftsentwicklung zu schaffen.“

ITD: Wie wird sich der Dienstleistungsmarkt aus Ihrer Sicht im neuen Jahr entwickeln?
Kraupa:
„Die aktuellen Lieferkettenprobleme zeigen, dass Unternehmen nicht mehr autark agieren können. Vielmehr ist ein Zusammenspiel vieler Faktoren und Beteiligter nötig, um erfolgreich zu sein. Diese Erfahrung wird in Zukunft dazu führen, dass Unternehmen vermehrt Dienstleistungen auslagern, um die Verantwortung abzugeben und sich auf das Kerngeschäft konzentrieren zu können. Im Gegenzug dazu werden sich Dienstleister darauf spezialisieren, solche Krisen künftig besser meistern zu können.“

Bildquelle: Noris Network AG

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