Hybrid ist die Antwort



2022 sank der Umsatz im E-Commerce um rund 5 Prozent auf 101,7 Mrd. Euro, wie der Branchenverband BEVH mitteilte. Zudem wird verstärkt auf Rabatt-aktionen und Sonderangebote geachtet, wie eine aktuelle Bitkom-Studie belegt. Es ist eindeutig: Die Zeichen stehen auf Sparen.

Kein Wunder, betrachtet man die gestiegenen Lebenshaltungskosten aufgrund diverser Krisen wie den Russland-Ukraine-Krieg und die daraus folgende Verunsicherung vieler Menschen. „Das Geld sitzt nicht mehr so locker“, bestätigt Guido Kuhring, Head of Sales Central and Northern Europe bei Mangopay. Die Teuerung trage merklich dazu bei, dass nicht nur der E-Commerce, sondern der gesamte Handel mit Einbußen zu kämpfen habe.

„Die Kaufkraft sinkt und stellt sowohl Verbraucher als auch Händler vor neue Herausforderungen“, bekräftigt auch Birk Angermann, Head of Global Solutions Engineering bei Shopify. Auf diesen Wandel sehe er sehr unterschiedliche Reaktionen der Händler: „Manche ziehen die Preise an und stellen den Wert ihrer Produkte heraus. Andere führen neue höherpreisige Produkte ein und lassen die Preise älterer Produkte bestehen, sodass Kunden zwischen günstigen und höherpreisigen Varianten wählen können.“

 

 

Fokus auf Qualität

Der Fokus werde damit verstärkt auf Qualität gelegt – etwas, das auch eine von Shopify in Auftrag gegebene Umfrage aus dem vergangenen Jahr bestätigt: 77 Prozent gaben darin an, trotz sinkender Kaufkraft gerne mehr Geld für Produkte auszugeben, die eine besondere Qualität haben, also langlebig und nachhaltig sind.

„Im Einzelhandel gab es diverse Anlässe und Geschehnisse, die den Händlern Sorge bereitet haben – und trotzdem schaffen es große Unternehmen wie Hugo Boss dreimal in Folge, ihre Gewinnerwartungen nach oben zu korrigieren, oder Omnichannel-fähige Händler wie Douglas, sehr gute Quartalszahlen zu erreichen“, berichtet Ralf Haberich, CEO der Shopgate GmbH. Eine Konsumflaute ist seiner Ansicht nach „auch ein teils selbst kreiertes negatives Phänomen“ und treffe nicht alle Händler.

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Zwar habe die Pandemie die Digitalisierung im Allgemeinen und den Online-Handel im Speziellen einen großen Schritt nach vorn gebracht, doch war laut Kuhring absehbar, dass der Schwung dieses Trends mit dem Ende der Einschränkungen wieder abflauen würde. „Diesen Effekt sehen wir in den vergangenen Monaten, auch wenn viele Branchen weiterhin deutlich höhere Umsätze erzielen als vor der Pandemie.“ Im Jahr 2021 habe sich etwa der Umsatz im B2C-E-Commerce in Deutschland laut Statista auf 86,7 Mrd. Euro belaufen und sei damit im Vergleich zum Vorjahr um rund 19 Prozent gestiegen.

 

 

Das neue Denken

Besonders setzen sich im E-Commerce derzeit hybride Einkaufsmöglichkeiten durch. „Hybrid ist das neue Denken in allen Themen“, hebt Haberich hervor. Convenience sei so viel wichtiger als Marke oder Preis – in vielen Entscheidungen. „Soll heißen: Je bequemer und vernetzter ich mich als Kunde mit Waren versorgen kann, umso entspannter ist mein Einkauf und umso häufiger kehre ich an diesen Shopping-Ort zurück – unabhängig davon, ob dieser digital oder analog ist.“

Eine weitere neue Entwicklung sehen die Experten in der sich ändernden Art des Bezahlens: „28,3 Prozent der Online-Käufe wurden 2021 laut EHI-Studie ‚Online-Payment 2022‘ per Rechnung bezahlt. Mit 28,2 Prozent lag Paypal nur knapp dahinter, gefolgt vom Lastschriftverfahren/Bankeinzug mit 17,4 Prozent und der Kreditkarte mit 11,4 Prozent“, fasst Guido Kuhring zusammen. „Diesen Trend und insbesondere die immer stärkere Bedeutung von Paypal sehen wir auch in den Transaktionen der Marktplätze, die unsere Payment-Lösung einsetzen.“

Das Bargeld verschwindet

Als klare Gewinner sieht Ralf Haberich Paypal und die Kartenzahlung. „Das Bargeld verschwindet – aus meiner persönlichen Sicht völlig zu Recht – nach und nach aus den Zahlungsabwicklungen. Hier wird digital nachgeholt, was bisher versäumt wurde“, betont er.

 

 

Eine weitere Angelegenheit, die die Konsumenten bewegt, ist die Nachhaltigkeit – ein Thema, das nicht nur im E-Commerce seit Monaten hohe Wellen schlägt. Im Handel ist der Fokus darauf kaum mehr wegzudenken. Einer der Gründe ist, dass Konsumenten vermehrt auf nachhaltige Optionen etwa im Bereich „Versand“ achten. Die Nachhaltigkeit ist inzwischen zu einem Teil der Kaufentscheidung geworden und kann sich positiv auf den Umsatz von Unternehmen auswirken. Das belegt u.a. ein DHL-Online-Shopper-Survey. 93 Prozent machen etwa die Wahl des Online-Shops von den angebotenen Lieferoptionen abhängig.

Mehr zahlen für Nachhaltigkeit

„In der letztjährigen Retail-Reality-Studie von Shopgate, für die mehr als 2.300 Händler und Konsumenten befragt wurden, sehen wir noch Skepsis auf Händlerseite gegenüber dem Thema ‚Nachhaltigkeit‘“, erläutert Haberich. Die Kundschaft habe dies jedoch bereits fest in ihre Shopping-Entscheidungen aufgenommen.

Eine Veränderung des Wertesystems von Konsumenten bemerkt Angermann besonders bei jüngeren Zielgruppen, aber auch bei älteren Käufern sei der Trend schon wahrnehmbar. So hat eine Shopify-Studie unter 2.000 Verbrauchern erst kürzlich gezeigt, dass 42 Prozent bereit sind, sogar mehr für nachhaltige Produkte zu bezahlen – und das trotz der unsicheren wirtschaftlichen Lage. Anders als Haberich sieht der Shopify-Experte, dass auch die Händler einen großen Wert auf die Nachhaltigkeit legen: „Der Ruf nach Umweltbewusstsein wurde von den Händlern gehört, denn laut unserer Umfrage unter 1.000 Klein- und Mittelständlern sagen mehr als 52 Prozent der deutschen Unternehmen, dass sie Nachhaltigkeit die höchste Priorität beimessen.“

 

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Wo sollten Unternehmen anno 2023 also ansetzen, wenn sie das eigene Angebot klimafreundlicher gestalten wollen? Angermann warnt zunächst vor dem Thema „Greenwashing“, bei dem Unternehmen sich gerne einmal „grüner“ darstellen, als sie tatsächlich sind. „Das wird heute in kürzester Zeit entlarvt und hart abgestraft“, betont er. Stattdessen sollten seiner Ansicht nach geplante Maßnahmen authentisch sein und zur Marke passen, da sich Kunden an Marken binden würden. Haberich rät, auf digitaler Ebene vor allem Optionen wie Ship from Store wahrzunehmen, also das Verwandeln reiner Filialen in kleine dezentrale Warenlager. Dies sei eine einfache Möglichkeit, Retouren zu minimieren und Fahrtwege zu reduzieren. „Hier hilft jeder neue Gedanke im digitalen Ökosystem des Händlers. Die Kundschaft erkennt dies schnell an und bindet es in das Shopping-Verhalten ein“, ist er überzeugt.

Neben der Veränderung in der Bezahlweise der Konsumenten und dem Fokus auf mehr Nachhaltigkeit gibt es diverse andere Trends, die sich im E-Commerce abzeichnen – doch welche setzen sich durch? Für Guido Kuhring eine klare Sache: „Ein Trend, der sich mit Sicherheit fortsetzen wird, ist die weitere Dynamik von Online-Marktplätzen und -Plattformen.“ Bestehende Online-Händler ab einer gewissen Größe würden vermehrt mit dem Gedanken spielen, ihr eigenes Inventar zu reduzieren und dafür Drittanbieter über ein Marktplatzmodell anzubinden. „E-Retailer, die diesen Weg einschlagen, können ihren Kunden ein breiteres Portfolio anbieten und sie so auch dann mit dem richtigen Angebot versorgen, wenn das eigene Produkt im Marktvergleich einmal nicht überzeugt.“

 

 

Schier endlose Möglichkeiten

Auch nach Ansicht Birk Angermanns wird in einer Zeit, in der Kunden schier endlose Möglichkeiten haben, online oder stationär einzukaufen, die Bindung der Kunden entscheidender. „Marken müssen eine Beziehung zu ihren Konsumenten aufbauen, denn der Wettbewerbsdruck ist groß und Kunden wissen, dass sie zwischen mehreren vergleichbaren Marken wählen können.“ Um eine solche Bindung zu schaffen, werde Tokengated Commerce interessanter. „Die NFT-Technologie wird genutzt, um personalisierte Einkaufserlebnisse zu ermöglichen“, erklärt der IT-Experte. Händler könnten Käufern eigene NFTs erstellen und ihnen so exklusiven Zugang oder Early Access zu neuen Produkten oder Aktionen geben. „So entsteht ein Gefühl von Exklusivität und Wertschätzung, gleichzeitig schafft man damit ein starkes Community-Gefühl.“

Für Ralf Haberich ist vor allem der Blick Richtung „Metaverse“ reizvoll – aber: „Dieser Trend ist nicht für jede Marke oder jeden Händler relevant.“ Gamification und Influencer-Marketing seien inzwischen fast schon veraltet – und daher ein wichtiger Bestandteil im normalen und täglichen Shopping-Set-up für moderne Händler. „Live Commerce, also das Kaufen aufgrund von direkt zu erstehender Ware in einer Live-Übertragung – quasi Teleshopping 2.0 –, und Quick Commerce, der Erhalt der Ware in kürzester Zeit, erscheinen mir als die wichtigen Player der Zukunft“, meint er. Fakt sei auf jeden Fall: „Das Shopping-Verhalten der Kunden ist im stetigen Wandel.“

 

 

 

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